Meinung

Einigung bei Schwarz-Rot: Engelstöne bei der Sondierung reichen noch nicht

Stabilität, Aufbruch und Zuversicht versprechen CDU, CSU und SPD in ihrer Sondierungseinigung. Das ist ein richtiges Ziel. Aber es muss sich im Regierungsalltag bewähren.

Die Spitzen von Union und SPD versprechen mit ihrer Sondierungseinigung Stabilität und Aufbruch. Doch die Bewährungsprobe kommt erst noch. | © Kay Nietfeld/dpa

Daniela Vates
08.03.2025 | 08.03.2025, 17:35

Auf dem Weg zu einer Regierung können Union und SPD mehrere Superlative für sich verbuchen: einen Geschwindigkeitsrekord im Abschluss der Sondierungsgespräche, ein geplantes Schuldenfeuerwerk zur Finanzierung diverser Vorhaben und obendrein eine bemerkenswerte Wende der Unionsparteien, die mit Friedrich Merz und Markus Söder an der Spitze neue Schulden erst kategorisch ausschlossen und nun für unabdingbar halten.

Schnell hat man nun zusammengefunden in den Sondierungsgesprächen. Eine wichtige Etappe auf dem Weg zu einer Regierung ist bewältigt. Und ganz offenkundig ist hier ein Ausgleich gelungen – und sicher ist es dabei hilfreich gewesen, beim Geld nicht allzu genau hinzusehen.

Die Union setzte sich mit ihrer Forderung durch, Asylsuchende an den Grenzen zurückzuweisen. Die SPD erweiterte den Finanzrahmen und schrieb Tariftreuegesetz und Mindestlohn in das Sondierungspapier, die CSU bekam die kostspielige weitere Erhöhung der Mütterrente.

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Vertrauen und Verlässlichkeit

Der sonst so krawallige CSU-Chef Markus Söder schwärmte engelsgleich von der Bedeutung von Kompromissen. Die SPD-Spitze erklärt ihre Misstrauensbekundungen gegenüber Friedrich Merz für passé.

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Die Einigung ist ein wichtiges Signal für Handlungsfähigkeit nach monatelanger Agonie der Ampelkoalition und der anschließenden Übergangsphase mit einer Restregierung ohne Mehrheit. Deutschland sollte sich nicht ewig um sich selber drehen, sowieso nicht, aber erst recht nicht, wenn die USA sich vom Partner zum Gegner Europas wandeln, kurzfristige Geschäftsinteressen vor geopolitische Überlegungen setzen und sich anschicken, mit Russland den Kontinent neu aufzuteilen.

Ein Signal und ein paar Superlative aber machen noch keine Regierung. Deren Qualität und Bestandskraft hängt nicht am Tempo. Und selbst Sondierungspapiere sind geduldig, auch wenn sie Stabilität, Aufbruch und Zuversicht in den Mittelpunkt rücken.

Woran eine Regierung scheitert

Für das Gelingen einer Regierung aber sind Vertrauen und Verlässlichkeit die entscheidenden Ingredienzien. Zuletzt hat die Ampelkoalition vorgeführt, wie es läuft, wenn diese fehlen. Wer ständig übereinander herzieht, den eigenen Vorteil im Niedermachen des Partners sucht, gefundene Kompromisse wieder und wieder in Frage stellt und den eigenen Standpunkt zum Nonplusultra erklärt, bringt eine Regierung zum Scheitern.

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Rechthaberei, Missmut, Kleinlichkeit

Den möglichen künftigen Koalitionspartnern verlangt das einiges ab. Den Partnern Erfolge zu gönnen, auf Egotrips zu verzichten, ist nicht jedermanns Sache in der Politik. Wer ganz nach oben kommt, hat schließlich ziemlich spitze Ellenbogen. Und die Rufe nach Wahrnehmbarkeit, nach eigenem Profil, nach Partei pur hallen in der Union noch aus Zeiten der Regierung von Angela Merkel nach. Und zu Ampelzeiten drängte die SPD ihren Kanzler Olaf Scholz zu mehr Rot und weniger Rücksicht auf die Partner.

Nun stehen die Zeichen auf Harmonie, aber so ist das ja öfter mal zu Beginn von Regierungen. CDU, CSU und SPD müssen aber noch beweisen, dass sie ihre Kooperation auch dann noch durchhalten, wenn alle auf ihren Posten sitzen, und wenn das Kleinklein der Regierungsarbeit beginnt.

Denn ein erneutes Scheitern einer Bundesregierung wäre ein Debakel. Es gilt, die Polarisierung im Land zu überwinden, statt sie durch Missmut, Kleinlichkeit, Rechthaberei und Taktierei immer weiter zu befeuern. Es gilt, auch in Europa zu einer noch entschlosseneren Gemeinsamkeit zu finden. Söder hat Schwarz-Rot den Titel einer „Verantwortungsgemeinschaft“ gegeben. Es sollte mehr sein als nur ein Titel.