Meinung

Merz und die AfD: Eine schwarze Woche für die Statik dieser Republik

Der CDU-Chef hat erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik einer ultrarechten Partei Gestaltungsmacht verliehen. Das ist geschichtsvergessen – und ein historisches Versagen, meint unser Autor.

Friedrich Merz schwächt mit seinem Vorgehen die Demokratie in Deutschland, meint unser Autor. | © Hannes P. Albert/dpa

Klaus Schrotthofer
31.01.2025 | 31.01.2025, 18:18

Diese Woche hat die Republik verändert. Das politische Klima in diesem Land, die politische Kultur, womöglich sogar das Parteiensystem. Verantwortlich dafür ist Friedrich Merz. Der Vorsitzende der CDU, dieser traditionsreichen, bürgerlichen, wertkonservativen Partei, hat den Grundkonsens der politischen Mitte in Deutschland verraten.

Merz hat eine in Teilen rechtsextreme, eine völkische, autoritäre, nationalistische und menschenfeindliche Partei ins Zentrum der deutschen Politik geholt. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik hat eine ultrarechte Partei Gestaltungsmacht erhalten. Friedrich Merz hat sie ihr verliehen – aus eigennützigen Motiven, geschichtsvergessen und skrupellos. Das ist ein historisches Versagen.

Es ist naiv, ja sogar bösartig, zu behaupten, man habe sofort handeln müssen, um schreckliche Gewalttaten wie in Solingen, Magdeburg oder Aschaffenburg künftig zu verhindern. Keine der Maßnahmen, über die in dieser Woche gestritten wurde, hätte die wahnsinnigen Morde verhindert. Stattdessen wurde der Schmerz der Angehörigen, die Angst und das Entsetzen vieler Bürgerinnen und Bürger missbraucht zur parteipolitischen Profilierung im Wahlkampf. Das ist niederträchtig.

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Johlende Rechtsradikale feiern im Bundestagsplenum

Die Bilder von den johlenden, feixenden Rechtsradikalen, die im Bundestagsplenum ihren Triumph feiern, werden sich ins Gedächtnis der Republik einbrennen. Sie können ihr Glück kaum fassen, nach Jahren der politischen Isolation von Friedrich Merz zur Mitwirkung eingeladen zu werden. Was hat er dafür bekommen? Einen Entschließungsantrag. Eine bittere Abstimmungsniederlage bei einem Gesetzentwurf, den auch der Bundesrat mit Stimmen von CDU-regierten Ländern abgelehnt hätte.

Friedrich Merz vor der finalen Abstimmung über sein Migrationsgesetz: War es das wert? - © Kay Nietfeld/dpa
Friedrich Merz vor der finalen Abstimmung über sein Migrationsgesetz: War es das wert? | © Kay Nietfeld/dpa

Keine umständliche Erklärung, keine durchsichtige Ausrede kann den Eindruck widerlegen, den die Bilder schon nach der Abstimmung vom Mittwoch unzweideutig vermittelt haben. Die AfD feiert. Die Unionsabgeordneten und ihre willigen Helfer von der FDP starren regungslos in den Plenarsaal. Sie müssen sich anhören, was ein AfD-Abgeordneter kurz darauf euphorisch ins Mikrofon bellt: Die Partei, deren Geschäftsmodell auf Hass und Hetze gründet, sei Teil einer „breiten Bewegung des Bürgertums“, die nun die politische Führung übernehme. Jedes Wort muss wie eine Ohrfeige sein für wahrhaft Bürgerliche.

Merz verdreht die Tatsachen

CDU und CSU mussten sich nicht förmlich mit der AfD abstimmen. Sie konnten von der Zustimmung der Rechtspopulisten ausgehen, weil sie deren Positionen in Teilen übernommen haben. Friedrich Merz verdreht die Tatsachen, wenn er sagt, er könne nicht das Richtige unterlassen, weil die Falschen zustimmen.

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Die Wahrheit ist: Die Union hat falsche Positionen der Ultrarechten zu ihren eigenen gemacht und versucht nun, sich von deren Urhebern zu distanzieren. Das ist unglaubwürdig. Und viel schlimmer: Es lässt extreme und sogar rechtswidrige Positionen als normal erscheinen. Das sind sie nicht. Und wenn sie es würden, wäre dieses Land ein anderes.

Rechtstreue und eine feste Verankerung in den europäischen Institutionen sind zwei der Grundpfeiler unseres Staates. Wer nun vorschlägt, das deutsche und das europäische Recht zu brechen, um mehr Sicherheit im Land zu schaffen, betrügt nicht nur die Öffentlichkeit, sondern erreicht das Gegenteil: Er sprengt unsere und die europäische Ordnung.

Vorgehen der CDU schwächt die Demokratie

Das bedeutet nicht, dass man die offensichtlichen und unbestrittenen Probleme hinnehmen muss. Es sind bereits viele Gesetze geändert und verschärft worden. Es gab und es gibt weitere sinnvolle und rechtskonforme Möglichkeiten, die Migration zu steuern und die Integration zu verbessern. Aber das setzt voraus, dass sich die demokratischen Parteien im Bundestag, dass sich Bund und Länder aufrichtig um konkrete Verbesserungen bemühen. Das setzt die Bereitschaft voraus, die eigene Position einem größeren Ziel unterzuordnen. Wer, wie Friedrich Merz, seine Kompromisslosigkeit zur Stärke stilisiert, schwächt die Demokratie.

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Diese Demokratie kann quälend sein und zuweilen schwer verständlich. Aber sie ist das einzig wirksame System, um die unterschiedlichen Interessen, Erfahrungen und Blickwinkel in einem so großen Volk auszutarieren.

Der Erfolg unserer Bundesrepublik hat sein Fundament im Willen und der Fähigkeit, Kompromisse in der Mitte zu finden. Wer diese Mitte verlässt, um Mehrheiten mit den Radikalen rechtsaußen zu finden, verursacht unabsehbaren Schaden. Er öffnet, wie es der SPD-Fraktionschef Mützenich zutreffend gesagt hat, das „Tor zur Hölle“.

Die Hölle, das ist ein Land, in dem das Ressentiment und nicht das Recht regiert, ein Land, in dem die Herkunft die Freiheit definiert, in dem Menschen verängstigt werden, weil sie die Willkür fürchten müssen. Weiß Friedrich Merz, was er in dieser Woche angerichtet hat?