Meinung

Die Idee eines Karenztages ist rückwärtsgewandt

Statistiken und Studien deuten darauf hin, dass die Fehltage an deutschen Arbeitsplätzen durch Karenztage sinken könnten. Unser Kommentator verteidigt trotzdem die Lohnfortzahlung.

Einer Patientin wird beim Arzt Blut abgenommen: Karenztage würden die Krankheitskosten für Arbeitnehmer deutlich erhöhen. | © picture alliance / dpa-tmn

Martin Krause
13.01.2025 | 13.01.2025, 05:00

Ein mächtiger Versicherungsmanager, nämlich der Chef des Allianz-Konzerns, hat den Vorschlag gemacht, die Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag wieder abzuschaffen. Ein Teil der Krankheitskosten würde so auf die Arbeitnehmer abgewälzt. Statistiker liefern die passenden Argumente: Demnach ist die Zahl der durchschnittlichen Krankheitstage in Deutschland höher als in anderen Ländern, doch durch die Einführung eines Karenztages könnten die Fehlzeiten gesenkt werden. Gute Idee? Sicher nicht.

Tatsächlich können Menschen durch finanziellen Druck zu allem Möglichen gezwungen werden, ebenso wie durch Gewalt oder bloße Drohungen. Genau das zeichnet ein Land wie Deutschland aber aus, dass seine Bürger vor Gewalt, Ausbeutung und Willkür geschützt werden sollen.

Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Die Sache ist durch das Entgeltfortzahlungsgesetz geregelt, und ein Versuch, dieses Bundesgesetz auszuhöhlen, muss als rückwärtsgewandt angesehen werden. Allein die Idee offenbart ein übles Menschenbild. Vor allem aber brächte der Karenztag keinen Fortschritt.

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Es gibt Blaumacher, so wie es Betrüger gibt

Haben wir in Deutschland ein Problem mit Blaumachern? Ja klar, keine Frage, es gibt sie, die Menschen, die sich auf Kosten ihrer Kollegen oder ihres Betriebes schöne Tage machen. Genau so, wie es Betrüger und Betrügerinnen in Fabrikhallen und Führungsetagen gibt, Faulpelze in Behörden oder Dummköpfe unter Lehrern und Professoren. All das sind aber keine Gründe, den Rechtsstaat oder die sozialen Sicherungssysteme abzuschaffen.

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Wer sich krankmeldet, fühlt sich meistens irgendwie krank und sollte die Möglichkeit haben, sich ohne Sorgen (und ohne andere anzustecken) auszukurieren. Mancher Krankheitstag entsteht schon allein durch langwierige Untersuchungen und Stunden in Wartezimmern – doch auch das sollte nicht noch zu zusätzlichen Kosten für die Betroffenen führen. Auf die Dauer zahlt sich diese großzügige Regelung selbst für renditeorientierte Konzernvorstände aus.