Bielefeld. Deutschland steht vor einer richtungsweisenden Bundestagswahl. Das Land braucht eine politische Erneuerung, daran besteht nach dem Scheitern der Ampelkoalition und der Vertrauensfrage von Bundeskanzler Olaf Scholz kein Zweifel.
Doch nach diesem Wochenende ist die Hoffnung, dass die Parteien einen echten Neuanfang wagen, wieder ein Stück kleiner geworden. Das hat damit zu tun, dass auf den Bühnen der Parteitage natürlich die immer gleichen Akteure standen. Mit denselben Versprechen, denselben Fehlern, denselben Floskeln.
Olaf Scholz tritt an, als sei nichts gewesen. Die SPD bestätigte ihn auf ihrem Parteitag als Kanzlerkandidaten. Scholz setzt darauf, mit seiner Rolle als stabiler Anker inmitten einer turbulenten Welt zu überzeugen. Doch wie viel Stabilität kann eine Kanzlerschaft bieten, die von Konflikten in der Koalition geprägt war. Scholz muss mehr bieten: mehr Emotionalität und Überzeugungskraft, um Menschen zu begeistern.
Die Leute sind den politischen Gaga leid
Die AfD ist lauter, radikal und polarisierend. Ihr Parteitag wird von Protesten gestört. Die Delegierten wählen in Riesa trotzdem Alice Weidel einstimmig zur Spitzenkandidatin. Die Parteichefin präsentiert sich als Anti-Establishment-Lösung.
Ihre Positionen sind alles andere als zukunftsweisend: Der Plan, Windräder abzureißen, Gender-Studiengänge abzuschaffen und „Remigration“ zur Leitlinie zu machen, ist nicht nur destruktiv, sondern realitätsfern. Deutschland braucht Antworten auf komplexe Herausforderungen, keine ideologischen Schnellschüsse.
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Auch die CDU strauchelt. Ihr Kanzlerkandidat verliert in Umfragen an Sympathie. Die Partei könnte ihre Position für einen Neuanfang nutzen. Doch ohne klare Vision, ohne mutige Ideen und Veränderungswillen ist das Angebot nicht überzeugend. Die Partei profitiert davon, dass sie weder Ampel noch AfD ist. Das ist zu wenig.
Im Bündnis Sahra Wagenknecht rumort es
FDP-Chef Christian Lindner nutzte seine Wahlkampfauftritte in Paderborn und Bielefeld, um für eine starke Wirtschaftspolitik zu werben. Über die aktuellen Umfragewerte spricht er lieber nicht. Lindner hat sich selbst ins Abseits gestellt und Vertrauen verspielt.
Zurückgekehrt aus der Stille ist das Bündnis Sahra Wagenknecht. Die Parteigründerin hat sich zuletzt überraschend wenig zu Wort gemeldet. Ihre Partei hat sie erwartungsgemäß zur Kanzlerkandidatin gewählt. Doch im BSW rumort es. Der Parteitag in Bonn zeigt eine zerstrittene Bewegung, die mehr mit sich selbst beschäftigt ist.
Und so bleibt den Wählern eine Wahl zwischen Altbekanntem und Radikalem. Was fehlt, ist Mut – eine Politik, die Brücken baut und klare, umsetzbare Lösungen bietet. Es bleiben noch ein paar Tage, um die Wähler vom Neuanfang zu überzeugen.