Meinung

Debatte um doppelte Staatsbürgerschaft: Merz sollte mehr liefern als Symbolpolitik

Statt echte Lösungen des Problems anzubieten, provoziert die Forderung des Unions-Kanzlerkandidaten. Bessere Verwaltungsabläufe wären ein wichtiger Schritt zur konsequenten Abschiebung von Straftätern, meint unsere Autorin.

Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU und Unions-Kanzlerkandidat hält nichts von der Möglichkeit einer generellen doppelten Staatsbürgerschaft. | © IMAGO/Panama Pictures

Andrea Rolfes
07.01.2025 | 07.01.2025, 18:06

Bielefeld. Kaum hat der Wahlkampf begonnen, möchte man genervt die Augen verdrehen: Denn immer häufiger präsentieren die Parteien bloße Symbolpolitik. Statt Lösungen anzubieten, verheddern sie sich in emotionalisierten und polarisierenden Debatten.

Friedrich Merz ist nicht zum ersten Mal auf diesen Zug aufgesprungen. Mit seinen jüngsten Aussagen zur Migrationspolitik und seiner Kritik an einer generellen doppelten Staatsbürgerschaft hat er erneut eine kontroverse Debatte ausgelöst.

Während der Unions-Kanzlerkandidat mit Recht darauf hinweist, dass straffällig gewordene Ausländer konsequent abgeschoben werden sollten, verrennt er sich mit seiner Forderung nach der Möglichkeit, die deutsche Staatsbürgerschaft bei Straffälligkeit entziehen zu können. Dieser Vorschlag wirft nicht nur verfassungsrechtliche Fragen auf, sondern birgt gesellschaftspolitischen Sprengstoff.

Newsletter
Update zum Mittag
Top-News, täglich aus der Chefredaktion zusammengestellt.

Schutz vor staatlicher Willkür

Die deutsche Staatsangehörigkeit ist ein Recht, das durch das Grundgesetz geschützt ist. Artikel 16 Absatz 1 legt fest, dass die Staatsangehörigkeit nicht entzogen werden darf, wenn dadurch Staatenlosigkeit entsteht.

Dies dient dem Schutz vor stattlicher Willkür. Dieser Schutz ist kein Zufall, sondern eine Lehre aus der deutschen Geschichte, in der Menschen willkürlich politisch verfolgt wurden und ihre Staatsangehörigkeit verloren haben.

Lesen Sie auch: Innenministerium: Straftäter-Ausbürgerung verfassungswidrig

Selbst wenn jemand eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzt und nicht staatenlos würde, schafft der Vorschlag eine Ungleichbehandlung von Bürgern. Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft würden potenziell doppelt bestraft: mit der Aberkennung der Staatsbürgerschaft und der normalen Maßregelung im Rahmen des geltenden Strafrechts.

Seit einer Gesetzesreform vom Juni müssen Menschen, die Deutsche werden, ihre bisherige Staatsangehörigkeit dafür nicht mehr aufgeben. - © Fernando Gutierrez-Juarez/dpa
Seit einer Gesetzesreform vom Juni müssen Menschen, die Deutsche werden, ihre bisherige Staatsangehörigkeit dafür nicht mehr aufgeben. | © Fernando Gutierrez-Juarez/dpa

Falsche Ansätze zur Kriminalitätsbekämpfung

Unabhängig davon besteht kein Zweifel darin, dass Menschen, die strafrechtlich aufgefallen sind, bestraft werden müssen – sei es durch Gefängnis oder – im Fall von Nicht-Deutschen, durch Ausweisung. Diese Instrumente stehen bereits zur Verfügung, werden aber nicht konsequent genutzt. Der Entzug der Staatsangehörigkeit aber setzt an einer völlig falschen Stelle an.

Hinter der Merz-Rhetorik verbirgt sich eine klare Provokation, die gezielt auf die Diskussion um die doppelte Staatsbürgerschaft zielt. Die von ihm geäußerte Skepsis gegenüber einer doppelten Staatsbürgerschaft spiegelt eine altbekannte Haltung wider.

Fokus auf Durchsetzung bestehender Gesetze

Nach Auffassung der Union sollte jeder Bürger eine klare Zugehörigkeit zu einem Staat haben. Die doppelte Staatsbürgerschaft schaffe Loyalitätskonflikte, befürchtet Merz. Sie könne dazu führen, dass Menschen weniger motiviert seien, sich vollständig in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Diese Annahme verkennt, dass viele Menschen in Deutschland sich in mehreren Kulturen verwurzelt fühlen und durch ihre doppelte Staatsangehörigkeit eine Brücke zwischen diesen Welten schlagen wollen.

Die eigentliche Problematik liegt nicht in der doppelten Staatsbürgerschaft, sondern in der Durchsetzung bestehender Gesetze. Straffällig gewordene Ausländer müssen das Land verlassen. Die Praxis zeigt, dass Ausweisungen häufig an rechtlichen und organisatorischen Hürden scheitern. Diese müssen beseitigt werden, bevor neue Maßnahmen gefordert werden, die kaum umsetzbar sind.

Eine bessere Koordination zwischen Behörden ist zum Beispiel zwingend. Bessere Verwaltungsabläufe wären ein wichtiger Schritt zur konsequenten Abschiebung von Straftätern. Eine kluge Anwendung der bestehenden Möglichkeiten ist der erste Schritt zur Problemlösung. Symbolpolitik bringt nichts.