Auf den ersten Blick folgt der Tarifkonflikt bei VW dem üblichen Drehbuch. Drei Verhandlungen, kein Ergebnis, Ende der Friedenspflicht – und dann Warnstreiks, Fahnen, Trillerpfeifen. In diesem Ablauf hätte tatsächlich eine Einigung vor Weihnachten Platz, wie es sich alle Seiten wünschen. Doch dieses Mal ist es komplizierter, nicht nur wegen der Größe und Komplexität der VW-Probleme. Es stehen sich angeschlagene Kontrahenten gegenüber, die jetzt unter hohem Druck die eigenen Fehler bereinigen müssen.
Der Vorstand, namentlich VW-Markenchef Thomas Schäfer, ist im Ergebnisverbesserungsprogramm des vergangenen Jahres viel schuldig geblieben. Dass es nicht die erhoffte Wirkung bringt, kann man nicht einfach auf die böse Welt da draußen und unverhofften „Gegenwind“ schieben. Es steckten einfach zu viele Hoffnungswerte und Leerstellen in dem Konzept.
Auf der anderen Seite kann die Gewerkschaft nicht wirklich erklären, warum sie noch im Sommer eine Sieben-Prozent-Forderung beschlossen hat, die damals schon nicht passte. Ein halbes Jahr später wirkt sie nur noch weltfremd.
Die Gewerkschaft brachte Ballast mit
So haben beide Seiten zu spät die Kurve bekommen, und das kann noch halsbrecherisch werden. Dem Vorstand blieb nur noch die Schließungsdrohung, um versäumte Einsparungen durchzusetzen. Die Gewerkschaft musste erst einmal den Ballast ihrer Tarifforderung abwerfen, um überhaupt verhandlungsfähig zu werden. Aus maximaler Distanz ging man aufeinander zu, und der Weg zum Kompromiss ist so weit, dass die verbleibenden drei Wochen bis Weihnachten sehr knapp werden könnten. Bisher ist jedenfalls kein Weg in Sicht, große und schnelle Einsparungen mit Jobsicherheit für alle zu vereinbaren.
Bei VW hat man schon oft Kompromisse gefunden, aber sie erwiesen sich zu oft als faul. Auch deshalb hat sich die Lage so dramatisch zugespitzt. Ob aber ein wirklich tragfähiger Weg rechtzeitig für einen Weihnachtsfrieden ausgekämpft werden kann, ist längst nicht sicher.
Lesen Sie auch: VW in China trennt sich von umstrittenem Werk in Xinjiang