Meinung

Stillstand beim Klimaschutz kann sich die Welt nicht leisten

Kanzler Olaf Scholz hat seine Teilnahme an der Weltklimakonferenz abgesagt. Dabei sollte Deutschland eine Führungsrolle übernehmen, meint unser Autor.

Der Klimagipfel startet diesen Montag im erdölfördernden Aserbaidschan. | © IMAGO/ZUMA Press Wire

Tim Szent-Ivanyi
10.11.2024 | 10.11.2024, 14:47

Es gibt einen neuen Reisetrend: der Solange-es-noch-geht-Tourismus. Ganz oben auf der Liste stehen die Malediven, bevor sie untergehen. Beliebt sind auch Reisen in die Arktis oder die Antarktis, solange es dort noch Eisbären und Pinguine gibt.

Im Südsudan, einem der ärmsten Staaten dieser Welt, fliehen aktuell Hunderttausende Menschen vor einem verheerenden Hochwasser.

Der kommende US-Präsident Donald Trump will erneut aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen. Außerdem will er Naturschutzgebiete verkleinern, um Erdölbohrungen zu ermöglichen.

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Das ist nur eine kleine Auswahl von Nachrichten aus den vergangenen Tagen, kurz vor dem diesjährigen Klimagipfel, der Montag in Aserbaidschans Hauptstadt Baku beginnt. Die Lage spitzt sich zu: Killerstürme, Dürren, immer neue Jahrhundertfluten und Hitzerekorde. Und dennoch wird der Klimawandel nach wie vor vielfach geleugnet oder bestenfalls hingenommen. Kann man ohnehin nichts mehr machen, es gibt angesichts der Rezession auch Wichtigeres zu tun, so eine Ansicht, die selbst bei Menschen Verbreitung findet, die den Klimawandel durchaus ernst nehmen.

Die Regierenden in Deutschland machen es auch noch vor: Ausgerechnet am Tag der Trump-Wahl stehlen sie sich aus der Verantwortung. Kanzler Olaf Scholz hat seine Teilnahme an der COP umgehend nach dem Ende der Ampelkoalition abgesagt.

Trump wird die Uhren bei Klimaschutz zurückdrehen

Dabei sollte Deutschland nicht nur in der europäischen Sicherheitspolitik, sondern auch beim Klimaschutz eine – oder besser – die Führungsrolle unter den Industriestaaten übernehmen. Denn das sind die beiden Politikfelder, in denen die USA unter Trump aller Voraussicht komplett ausfallen werden. Schlimmer noch, es steht zu befürchten, dass Trump insbesondere beim Klimaschutz die Uhren zurückdrehen wird. Hier muss es ein Gegengewicht geben, doch aktuell sieht es nicht danach aus.

Stillstand kann sich die Welt aber schlichtweg nicht leisten. Sicherlich kann darüber gestritten werden, ob der bevorstehende Konferenzzirkus mit 50.000 Teilnehmern den Klimaschutz tatsächlich entscheidend voranbringt, zumal die Ausrichterin eine erdölfördernde Diktatur ist. Doch ein besseres Mittel gibt es derzeit nicht.

Auch China muss einen finanziellen Beitrag leisten

In Baku muss es darum gehen, die Klimafinanzierung auf eine breitere Grundlage zu stellen. Staaten, die wirtschaftlich nicht allein in der Lage sind, die Transformation hin zu erneuerbaren Energien zu schaffen, müssen dabei unterstützt werden. Immerhin kommen inzwischen zwei Drittel der Treibhausgasemissionen aus Schwellen- und Entwicklungsländern.

Auch Staaten, die bisher nicht zu den klassischen Gebern gehören, aber wie China und die Golfstaaten die nötige Wirtschaftskraft haben, sind gefordert, ihren finanziellen Beitrag leisten. Ohne sie wird der Klimaschutz – auch angesichts des absehbaren Ausfalls der USA – nicht vorankommen.