Schönreden kann Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) die Ergebnisse nicht. Die Bundeswaldinventur, die er am Dienstag in Berlin vorgestellt hat, spricht eine deutliche Sprache: Die deutschen Wälder sind in einem desaströsen Zustand – und damit steht auch eines der wichtigsten Klimaschutzziele der Bundesregierung auf dem Spiel.
Bis 2045 will Deutschland treibhausgasneutral sein, also keine klimaschädlichen Treibhausgase mehr freisetzen beziehungsweise Emissionen ausgleichen. Einen wichtigen Beitrag dazu sollen die Wälder als natürliche Kohlenstoffspeicher liefern: Gemeinsam mit Mooren sollen sie bis 2045 jährlich im Durchschnitt mindestens 40 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2) aufnehmen, um Emissionen in anderen Bereichen wie Landwirtschaft und Industrie auszugleichen.
Dieses Ziel ist längst nicht mehr realistisch, denn inzwischen setzen die Wälder mehr Treibhausgase frei, als sie speichern. Der Klimahelfer Wald ist tot. Schädlinge und Dürren schwächen viele Bäume so stark, dass sie absterben – wobei CO2 frei wird. Das Gleiche passiert bei Waldbränden, die im Zuge des Klimawandels immer häufiger werden.
Waldumbau jahrelang ignoriert
Jetzt rächt sich, dass die Bundesregierung den ökologischen Waldumbau jahrelang ignoriert und vernachlässigt hat. Statt die Wälder klimaresistent umzugestalten, wurden sie weiterhin wirtschaftlich ausgebeutet und zugrunde gerichtet. Und jetzt ist der Schaden groß – und zwar langfristig. Denn so schnell, wie die Wälder zerstört wurden, werden sie sich nicht wieder erholen.
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Die Lehre aus der Bilanz kann nur sein: Wir müssen die Wälder besser schützen. Dafür muss Landwirtschaftsminister Özedmir auch das Bundeswaldgesetz ändern, das Leitplanken für mehr Klima- und Naturschutz im Wald vorgibt. So wie das Gesetz aktuell gestaltet ist, kommt es eher den Waldbesitzenden ökonomisch zugute, als es den Wäldern hilft.
In einem überarbeiteten Entwurf, der im August an die Öffentlichkeit kam, schien Özdemir das Gesetz sogar noch entschärfen zu wollen. So sollten anders als ursprünglich geplant nicht behördlich genehmigte Kahlschläge nun doch nicht als Straftatbestand gewertet werden, sondern nur als Ordnungswidrigkeit. Ein absolut kontraproduktiver Schritt angesichts des aktuellen Waldzustands.
Mehrere Millionen Hektar Wald zerstört
Doch Deutschland ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Fast alle Länder hinken bei den Zielen zum Schutz von Wäldern hinterher, wie aus dem von Forschungsorganisationen und zivilen Verbänden gemeinsam veröffentlichten Waldzustandsbericht hervorgeht. Demnach wurde im vergangenen Jahr weltweit eine Waldfläche von 6,37 Millionen Hektar zerstört – das entspricht fast der Größe Lettlands. Die globale Waldzerstörung lag damit 45 Prozent über dem Wert, der erforderlich wäre, um die Entwaldung bis 2030 zu beenden. Die grüne Lunge unseres Planeten verschwindet immer mehr – und wir schauen offenbar tatenlos dabei zu. Die Berichte zum Zustand der Wälder sind ein Alarmsignal, das wir nicht ignorieren dürfen. Wir müssen endlich anfangen, den Wald nicht nur als Wirtschaftsraum zu begreifen, sondern als schützenswertes und vor allem uns schützendes Ökosystem.