
Es ist mehr als ein ernüchterndes Zeichen, das Deutschland an diesem Sonntag aus Österreich erhielt. Es ist ein Alarmsignal. Denn selbst wenn die Rechtspopulisten der FPÖ es nicht ins Wiener Kanzleramt schaffen sollten, weil eine Regierungsbildung auch ohne sie möglich ist, so hat die Partei doch innerhalb kürzester Zeit einen triumphalen Wiederaufstieg geschafft. Und das, nachdem vor wenigen Jahren ein Korruptionsskandal ihren wahren Charakter entlarvt hatte – und ihr neuer Chef sie seither weiter radikalisiert hat.
Das Wahlergebnis sollte vor allem denen in Deutschland eine Warnung sein, die auf eine Einhegung der hiesigen Rechtspopulisten von der AfD hoffen – etwa durch Regierungsbeteiligung. Denn in Österreich zeigt sich, was zuvor hierzulande und nicht zuletzt in den USA auffiel: Skandale und Fehlverhalten schaden Populisten nicht.
Der Erfolg der FPÖ ist dafür ein Beweis wie aus dem Lehrbuch: Nur fünf Jahre ist es her, dass die Rechtspopulisten eine Regierungskrise auslösten, als ein Video zeigte, wie ihr damaliger Chef Heinz-Christian Strache halb Österreich an russische Oligarchen verschachert hätte, wenn die zu seinen Gunsten die Presselandschaft manipulieren. Was in einer gesunden Demokratie den Untergang einer Partei ausgelöst hätte, reichte in Österreich nur für das Ende ihrer Regierungsbeteiligung und einen Wechsel an der Spitze.
Es reichte aber nicht, um den damaligen Innenminister Herbert Kickl beim Wahlvolk in Ungnade zu bringen oder dafür, dass die konservative Koalitionspartnerin – die Kanzlerpartei ÖVP – vor der jetzigen Wahl einen neuen Pakt mit der FPÖ ausschloss.
Dabei hatte deren Kanzlerkandidat Kickl die FPÖ sogar weiter nach Rechts geführt – in der Migrations- und Abschottungspolitik, durch Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten, im Kampf gegen die EU und mit Rechtsstaatssaboteuren wie Viktor Orbán als Vorbild.
Die Brandmauer zu den Populisten bleibt wichtig
Falls die deutschen Parteien noch Belege bräuchten, wie wichtig die Brandmauer zu den Populisten bleibt, finden sie sie in Österreich: Die FPÖ hat von der Einbindung in Regierungsverantwortung erstens profitiert – so stark, dass sie nun von der Kanzlerschaft Kickls träumt. Zweitens führte das keineswegs zu ihrer Verbürgerlichung, um anschlussfähiger an die Mitte zu werden.
Dass die AfD sich ebenso verhält, lässt sich nicht nur in Thüringen verfolgen. Dort sind ihre Erfolge parallel zu ihrer Radikalisierung gewachsen, was andere Landesverbände aufmerksam registrieren.
Auch dass Alice Weidel nun Kanzlerkandidatin wird, ist die Belohnung für deren fortgesetzte politische Radikalisierung und zeigt, dass ihr Spendenskandale und Wahlkampffehler nichts anhaben konnten – so wie zuvor die Affären der Spitzenkandidaten bei der Europawahl die Wähler nicht störten.
Demokraten müssen sich den Enttäuschten zuwenden
Welchen Schaden eine starke AfD auch ohne Regierungsbeteiligung anrichten kann, führte sie vorige Woche in Erfurt vor: Sie kaperte die Konstituierung des Landtages für ihre Parteipolitik und verhielt sich selbstbewusst rechtsbrüchig, bis die Verfassungsrichter eingriffen. Es ist das, was zuvor Trump in den USA, Orbán in Polen und die PiS-Partei in Polen exerzierten: Der Ausbau der Macht werden demokratische und rechtsstaatliche Regeln untergeordnet.
Ihre Wähler stört das nicht. Zu groß scheint die Enttäuschung von der liberalen Demokratie zu sein, die den Weltkrisen zu wenig entgegensetzte, und von der Ignoranz der Eliten gegenüber den Sorgen der Globalisierungsverlierer. Das Pendel schlägt fort vom Liberalen, hin zum Autoritären. Es ist an den demokratischen Kräften, es zu bremsen – durch Wehrhaftigkeit, aber auch durch die Hinwendung zu den Enttäuschten und Vernachlässigten.