Brandenburg-Wahl

Mit der Selbstgewissheit der alten Parteien ist es vorbei

Die Ergebnisse in den Landtagswahlen fordern von der Berliner Bundespolitik endlich wieder ein „Dafür“. Für die Stabilität der Demokratie reicht ein „Gegen-die-AfD“ nicht, urteilt unser Autor.

In Brandenburg wurde ein neuer Landtag gewählt. | © dpa

Thomas Seim
22.09.2024 | 22.09.2024, 18:54

Zweimal musste mit der CDU bereits eine der alten Volksparteien in den neuen Bundesländern um Platz 1 bei den Wählern kämpfen. Einmal unterlag sie – in Thüringen den Verfassungsfeinden der AfD. Einmal – in Sachsen – tat sie es mit Erfolg.

Nun haben wohl auch die Sozialdemokraten in Brandenburg das offenbar hinbekommen. Ministerpräsident Dietmar Woidke hat es immerhin gegen den Berliner Trend und trotz der Ampel geschafft, vor der AfD zu liegen. Die Bäume der CDU wiederum wachsen im Osten und auch mit diesem Kanzlerkandidaten nicht in den Himmel.

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Jedenfalls signalisieren die Zahlen so oder so, dass es vorbei sein muss mit der Selbstgewissheit der ehemaligen Volksparteien. Nichts steht mehr so stabil, dass CDU oder SPD verhindern können, dass die AfD auch vor ihnen liegt. In Sachsen und Thüringen mussten die Sozialdemokraten außerdem um den Wiedereinzug ins Parlament bangen. Nun zittern die Christdemokraten um ihren Vorrang vor dem Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW), das auch im dritten Bundesland den Einzug ins Parlament schafft.

Die demokratische Selbstgewissheit zerbricht

Man kann – und das werden die alten Parteien versuchen – sich damit beruhigen, dass es ja noch eine demokratische Mehrheit gibt, für die Union und SPD und natürlich auch Grüne und FDP stehen. Tatsächlich aber zerbricht gerade die demokratische Selbstgewissheit der Bundesrepublik, weil sie aktuell keine Antwort mehr findet auf Sorgen, Nöte und Wünsche der Menschen. Es gäbe Themen genug, hinter die man eine Mehrheit für etwas versammeln könnte. Bislang allerdings funktioniert nur eins: die Mehrheit gegen etwas, nämlich gegen die rechtsradikale AfD.

Für die Stabilität der Demokratie indes reicht die Einigkeit über das „Dagegen“ nicht. Es braucht schon ein „Dafür“. Eines, das die Errungenschaften der Republik an Freiheit, Verantwortung und Wohlstand ausformuliert und nicht hinter Standard-Floskeln oder Besserwisserei über eine Modernisierung der Gesellschaft, ihre Ökologisierung oder ihr Wachstum verschüttet. Eines auch, dass die Verantwortung eines Landes mit sechs Friedensnobelpreisträgern (darunter auch Albert Schweitzer und Henry Kissinger) im Blick auf die aktuellen Krisenlagen in der Ukraine und in Nahost nicht nur reklamiert, sondern auch mit Friedensinitiativen wahrnimmt.

Das alles leistet die Bundespolitik derzeit weder in der Regierung noch in der Opposition. Den Preis dafür zahlen aktuell die Länder. Sie ringen trotz zum Teil beachtlicher Modernisierungsleistungen um die Stabilität politischer Mehrheiten. Das mag vorübergehend etwas Ruhe bringen.

Demokratische Sicherheit auf Dauer aber schafft das nicht. Dafür muss die Bundespolitik aus Berlin endlich – und neu – liefern.