Kommentar

Nach mehrfachem Sabotageverdacht: Verunsicherung ist der falsche Weg

Nach den Vorfällen in Mechernich, Köln-Wahn und Geilenkirchen wünscht sich unsere Autorin Zusammenhalt in der Gesellschaft, statt in Panik zu verfallen.

Am Bundeswehr-Standort Mechernich gab es schnell Teilentwarnung bezüglich des verunreinigten Trinkwassers. Trotzdem bleibt nach den Meldungen über mögliche Angriffe eine gewisse Verunsicherung. | © dpa

Daniela Vates
16.08.2024 | 16.08.2024, 16:56

Plötzlich, so scheint es, besteht die Republik aus Löchern. Und zwar diesmal nicht – oder nicht nur - im Bundeshaushalt. Sondern in Zäunen. Das wäre allenfalls, wenn überhaupt, ein optisches Problem, wenn es sich nicht um Zäune handelte, die höchst sensible Liegenschaften umgrenzen.

Meldungen zu solch akut lückenhaftem Schutz gab es dieser Tage von einem Fliegerhorst der Bundeswehr in Köln-Wahn und aus der nordrhein-westfälischen Kleinstadt Mechernich. In beiden Fällen wurde die Wasserversorgung auf Vergiftung überprüft. Die in Köln stationierte Flugbereitschaft der Bundesregierung durfte die Hähne nicht mehr aufdrehen, in Mechernich sollten vorübergehend 10.000 Menschen kein Leitungswasser mehr trinken und noch nicht einmal mehr duschen.

Lesen Sie auch: Nach Sabotageverdacht: Trinkwasser in Mechernich nicht kontaminiert

Quasi gleichzeitig wurde von einem Nato-Stützpunkt in Geilenkirchen zwar kein Loch im Zaun, aber der gescheiterte Einbruchsversuch eines Unbekannten vermeldet. In Mechernich und Geilenkirchen gab es schnell Entwarnung, aber der Schreck war zunächst mal da. Denn die Vorfälle offenbaren Verwundbarkeit. Zäune sind schnell zerschnitten, offenbar sogar bei Militäreinrichtungen, dort also, wo sich die aufhalten, die für den Schutz des Landes zuständig sind.

Warum Sabotage so schnell zum Thema wird

Und von jetzt auf gleich kann etwas Lebenswichtiges wie Wasser zur Mangelware werden. Grund zur Panik gibt es dennoch nicht. Nicht jeder kaputte Zaun ist ein grundsätzliches Sicherheitsrisiko. Schlamperei bei der Wartung kann dafür verantwortlich sein. Oder Vandalismus, aus Lust an Zerstörung, als persönlicher Racheakt oder seltsame Form der Mutprobe. Dass auch die Möglichkeit der Sabotage geprüft wird, gehört zur Logik von Ermittlungen.

Lesen Sie auch: Ermittlungen nach Sabotage-Verdacht an Bundeswehr-Kaserne in NRW

Dass die Idee – trotz zunächst fehlender Belege – auch im politischen und medialen Raum so schnell die Runde machte, zeigt, wie sich die Sicherheitslage verändert hat. Die Entspannungsphase nach dem Kalten Krieg ist dahin. Russland hat die Ukraine attackiert und droht deren Unterstützerländern. Es schickt Raketen und Panzer in die Ukraine und hat ein Interesse daran, dass ein Land wie Deutschland sich mehr mit sich selbst beschäftigt als mit den von Russland angerichteten Verwüstungen in Odessa und den Toten in Charkiw.

Auch die Luftwaffenkaserne in Köln-Wahn war nach einem Sabotageverdacht vorübergehend gesperrt worden. - © dpa
Auch die Luftwaffenkaserne in Köln-Wahn war nach einem Sabotageverdacht vorübergehend gesperrt worden. | © dpa

Russlands Präsident Wladimir Putin hat ein Interesse an wachsender Verunsicherung des Westens. Und dass die Skrupellosigkeit des Regimes nicht an Grenzen halt macht, zeigt neben der Ukraine unter anderem der Mord an einem Georgier im Berliner Tiergarten durch einen russischen Geheimdienstmitarbeiter. Cyberattacken, etwa gegen den Bundestag, werden auf Russland zurückgeführt.

Digitalisierung sorgt für neue Form der Verletzlichkeit

Digitalisierung macht an vielen Stellen das Leben leichter, sorgt aber für eine neue Form der Verletzlichkeit, weil sich Aggressoren nicht mal mehr vor Ort begeben müssen, sondern ihre Attacken vom Schreibtisch oder vom Sofa aus führen können. Attacken auf Infrastruktureinrichtungen wie die Wasser- oder Energieversorgung sind wesentlicher Teil hybrider Kriegsführung – und natürlich lässt es sich auch auf herkömmliche Weise versuchen, mit Bolzenschneider und Giftfläschchen.

Der Schrecken und die Nervosität sind daher verständlich. Dass bei Sabotageakten noch andere Tätergruppen in Betracht kommen – etwa Islamisten, Rechts- oder Linksextremisten, Klimaaktivisten – tut dem keinen Abbruch. Was nicht hilft, sind voreilige Schlüsse und Schuldzuweisungen. Der Hochspannungs-Takt sozialer Netzwerke kann nicht der Maßstab sein für Aufklärung.

Wer seine Verletzlichkeit kennt, kann Vorsorge treffen. Auch dafür, dass nicht das Misstrauen überhandnimmt, dieses langsam wirkende Gift, das eine ganz besonders wichtige Infrastruktur zerstört: den Zusammenhalt der Gesellschaft über alle Differenzen hinweg.