
Donald Trump ist ein wahrer Meister der Inszenierung. Nur Sekunden nach dem gescheiterten Attentat auf ihn nutzt der Ex-US-Präsident abgeklärt die mediale Weltbühne und reckt, leicht blutend, die Faust in die Höhe. Er schafft damit nicht nur ein ikonografisches Foto für die Geschichtsbücher, sondern auch für den laufenden Wahlkampf: Seht her, ich bin unverwüstlich!
Sehr wahrscheinlich entscheidet dieses Foto das Rennen ums Weiße Haus, in dem Amtsinhaber Joe Biden derzeit eher stolpert statt Tempo macht. Der Mordanschlag verhilft hingegen dem Trump-Team unverhofft die Vorlage, seinen Kandidaten noch tiefer in die so sehr gewünschte Opferrolle zu rücken. Das Narrativ, Trump kämpfe allein und aufrecht gegen das Ostküsten-Establishment, hat jetzt die entsprechenden Bilder bekommen.
In den Vereinigten Staaten ist die politische Stimmung seit Jahren aufgeheizt, die Gesellschaft in zwei konträre Lager aufgespalten. Das US-Justizministerium beklagt einen beunruhigenden Anstieg der Drohungen gegen Amtsträger und demokratische Institutionen im Land. Nach der Wahl 2020 gipfelten die Verwerfungen in einer gewaltsamen Attacke auf das US-Kapitol. Damals hatte Trump seine Wahlniederlage gegen Biden nicht akzeptiert und seine Unterstützer über Monate mit Wahlbetrugsbehauptungen aufgehetzt.
Baerbock findet die richtigen Worte
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, nicht immer mit einem herausragenden diplomatischen Gespür ausgezeichnet, findet angesichts der Eskalation in den USA die richtigen Worte. Gewalt dürfe niemals zum Mittel der politischen Auseinandersetzung werden. „Wahlen werden in Demokratien mit dem Stimmzettel entschieden und nicht mit Waffen.“
Doch von argumentativen Auseinandersetzungen, vom politischen Streit mit Worten, entfernen sich nicht nur die USA. Gewalt wird auch in unserer Gesellschaft immer mehr zur Option. Da werden, wie jüngst in Erfurt, Wahlplakatierer zusammengeschlagen, Parteizentralen angegriffen oder Kandidaten attackiert.
Hass und Wut finden Weg ins reale Leben
Und diese Entwicklung trägt längst in unser alltägliches Leben. Brutale Angriffe mit Fäusten, Messern und anderen Waffen füllen viele Polizeiberichte. Zur Durchsetzung eigener Interessen, vermeintlich individuellen Rechts, ist offenbar jedes Mittel geeignet.
Hass und Wut haben auf digitalen Wegen ihren Sprung in die Öffentlichkeit geschafft, oft anonym und feige. Der nächste Schritt ist der Transfer ins reale Leben. Genau an dieser Schnittstelle sind wir angekommen. Unsere demokratische Gesellschaft wird viel Kraft brauchen, sich diesem Meinungsmissbrauch entgegenzustellen.
Das Recken einer geballten Faust ist da sicher der falsche Weg.