Kommentar

Scholz macht sich für höheren Mindestlohn stark: Führungsbotschaft des Kanzlers

Olaf Scholz macht klare Ansagen zum Spar-Haushalt für 2025 und zu einer drastischen Anhebung des Mindestlohns. Den Arbeitgebern wirft der Regierungschef dort einen Tabu-Bruch vor.

Olaf Scholz macht klare Ansagen zum Spar-Haushalt 2025. | © picture alliance / TT NYHETSBYRÅN

Thomas Seim
15.05.2024 | 16.05.2024, 16:55

Es ist ein paar Jahre her, da sagte Olaf Scholz als Spitzenkandidat der SPD im Hamburger Bürgerschaftswahlkampf jenen Satz, der ihm heute als Bundeskanzler einer Ampel-Koalition von SPD und Grünen mit der FDP immer wieder vorgehalten wird. Wer bei ihm Führung bestelle, der kriege sie auch, ließ Scholz damals – ebenfalls in einem Interview – vernehmen. Nun hat der Regierungschef gleich mehrfach geliefert.

Wieder per Interview in einem Magazin hat Scholz nun eine Mischung aus Richtlinien für seine Regierung und klarer Ansage zur Lohn- und Sozialpolitik zusammengestellt. Die Botschaft geht in zwei Richtungen. Zunächst sprang er Bundesfinanzminister Christian Lindner im Streit um den Haushalt 2025 im Blick auf die Sparvorgaben und die Schuldengrenze an die Seite. Zugleich allerdings nahm er ihm den Alleinvertretungsanspruch für das Thema Haushalt aus den Händen. Er stehe auf der Seite Deutschlands beantwortete er die Frage, ob er auf der Seite seines Finanzministers stehe. Nach Einigkeit klingt das nicht. Lindners Plan aber sei mit ihm abgesprochen, schob der Kanzler hinterher. Die Botschaft der Führung aber sitzt.

Schließlich legt Scholz dem nach einem liberalen Profil suchenden FDP-Minister auch noch ein Thema auf den Tisch, das dazu gar nicht passt: Die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro. Fast 60 Prozent der Bevölkerung sind für eine solche Erhöhung. Mit den Steuermehreinnahmen aus höherem Mindestlohn wäre zwar auch Lindners finanzieller Spielraum höher. Zu dessen Fünf-Punkte-Plan einer Entlastung der Wirtschaft allerdings will das nicht so recht passen.

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Verantwortung liege bei Arbeitgebern

Noch bevor deren Aufschrei aber laut werden kann, schiebt Scholz den Arbeitgebern die Verantwortung für diese aus seiner Sicht nötige Entscheidung zu. Sie hätten die vergangene geringe Anhebung per Mehrheitsbeschluss der Mindestlohnkommission durchgesetzt und damit den Tabu-Bruch begangen. Das wiederum ist ein Argument, dem schwer zu widersprechen ist. Tatsächlich hatten die Arbeitgeber in dieser Kommission gegen die Verabredung der Einvernehmlichkeit verstoßen.

Es gab auch andere klare Ansagen; für eine Frau in der Nachfolge des 2027 ausscheidenden Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier; und an den möglichen Kanzlerkandidaten der Union, Friedrich Merz. Dessen Siegchance halte er für sehr, sehr unwahrscheinlich, antwortete Scholz auf die Frage, wie groß die Chance für einen Millionär mit Privatjet sei, Kanzler zu werden.

Das alles klingt nach einer Zuspitzung des politischen Streits, wie viele ihn seit langem vermissen. Dabei scheint Scholz die Inhalte auf klassische Mobilisierungsthemen seiner SPD auszurichten, wie etwa der Mindestlohn zeigt. Das war vor 21 Jahren noch anders. Da mahnte ein SPD-Generalsekretär namens Olaf Scholz ebenfalls per Interview – übrigens im gleichen Magazin wie dieses Mal – seine Partei zu einer Abkehr von ihrem aufs Soziale ausgerichteten Gerechtigkeitsbegriff.

Heute aber ist dieser Scholz Kanzler und das Wahlvolk hat Führung bestellt. Er scheint liefern zu wollen.

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