Kommentar zum Entlastungspaket

Koalition für Deutschland

Erstmals seit ihrem Regierungsstart legt die sogenannte Ampel ein gemeinsames Konzept gegen die Krisenlage vor. Mit 65 Milliarden Euro sollen Rentner, Studenten, Familien mit Kindern und Geringverdiener unterstützt werden.

Der Koalitionsausschuss des Ampelbündnisses hat ein neues Entlastungspaket für die Bürger beschlossen. | © Michael Kappeler

Thomas Seim
04.09.2022 | 04.09.2022, 16:12

Die Ampel-Koalition hat sich auf ein neues Entlastungspaket geeinigt. Erstmals seit dem Koalitionsvertrag 2021 legt sie damit ein Ergebnis vor, das sich abseits von den Interessen der einzelnen Koalitionspartner auf ein gemeinsames Konzept gegen die Krise verständigt. Das ist die Leitlinie, der die Verhandlungsführer von SPD, Grünen und FDP gefolgt sind.

Die Idee dieses Konzepts ist schlicht und konzentriert sich auf drei Handlungskerne: schnelle Hilfe über den Winter, generelle Prüfung der Belastungen durch dramatisch steigende Energiepreise und schließlich die jedenfalls teilweise Finanzierung des Hilfspakets durch die Gewinnbegrenzung in der Energiebranche. Das ist die Abschöpfung einer Übergewinnsteuer, eine Art umgekehrte EEG-Umlage, die ein FDP-Finanzminister Christian Lindner mittragen und vertreten kann und will.

Auf den profilbildenden Widerspruch eines Oppositionsführers Friedrich Merz ist man gespannt. Nachvollziehbar wäre er kaum. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass die Reaktion der Union zunächst sehr zurückhaltend blieb.

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Die Wucht des Programms ist unbestreitbar. 65 Milliarden – das sind deutlich mehr als zehn Prozent des geplanten Jahresetats 2022, mit den bereits beschlossenen Hilfen sogar knapp 20 Prozent. Es werden noch viele Details geklärt werden müssen. Dazu gehören die Einzelheiten einer Steuer- und Abgabenbefreiung für eine Einmalzahlung, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer für bis zu 3.000 Euro miteinander vereinbaren können – gewissermaßen eine Anti-Inflationsprämie. Auch beim Bürger- und Wohngeld, dem neuen zusätzlichen Kindergeld und den Energiepauschalen für Rentner und Studenten sowie einem neuen bundesweiten Nahverkehrsticket gibt es noch viel Gesprächsbedarf.

Entscheidend aber ist für dieses Hilfsprogramm etwas ganz anderes: SPD, Grüne und FDP verständigen sich auf Regelungen, die nicht entlang von klassischen Partei-Interessen definiert sind. Weder tauchte der Begriff einer „Schwarzen Null“ aus früheren Finanzplanungsrunden auf, noch setzt das Papier auf der schon immer fehlgeleiteten neoliberal-konservativen Ideologie des Privat-vor-Staat auf. Im Gegenteil blieb die Kanzler-Vorgabe eines starken Staates, der für Gerechtigkeit sorgt, nicht nur unwidersprochen, sondern darf als gemeinsame Plattform der Regierungspartner verstanden werden.

Die Ampel hat sich mit der Verständigung auf dieses Entlastungspaket zu einer Koalition für Deutschland emanzipiert.

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