Kino

"Lucky Logan": Gangsterkomödie mit hinreißend durchgeknalltem Daniel Craig

Kann auch anders: Daniel Craig hat den eng geschnittenen Maßanzug abgelegt und ist in Bequemeres geschlüpft. | © Fingerprint Releasing

Anke Groenewold
14.09.2017 | 12.10.2017, 10:59
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Steven Soderbergh wurde 1963 in Atlanta, Georgia, geboren. Der künstlerische Durchbruch gelang ihm 1989 mit „Sex, Lügen und Video".
Als bislang einziger Regisseur war er im Jahr 2000 in der Kategorie „Beste Regie" zweifach für den Oscar nominiert – für das Drama „Erin Brockovich" und den Drogenthriller „Traffic", mit dem er auch gewann.
Populär war die „Ocean’s"-Trilogie.
Nach seiner Abkehr von Hollywood arbeitete er fürs Fernsehen, drehte die Krankenhausserie „The Knick" und „Behind the Candelabra", für den er einen Emmy gewann und der bei uns unter dem Titel „Liberace" in die Kinos kam.

Bielefeld. Regisseur Steven Soderbergh hat die Nase voll von großen Studios und wandte sich 2013 von Hollywood ab, arbeitete fürs Fernsehen. Jetzt ist er zurück, aber diesmal bekam er, was er schon immer wollte: „absolute kreative Kontrolle". Sein neuer Film „Logan Lucky" ist ein Versuchsballon. Kann (s)eine kleine Firma einen Film an den großen Studios vorbei flächendeckend in die Kinos bringen?

Wer wie Soderbergh zu den Großen zählt und einen Star wie Daniel Craig gewinnt, dürfte damit wenig Probleme haben. In den USA hat der Film nicht so viel eingespielt wie von Soderbergh erhofft. Aber er freut sich dennoch: Fast die Hälfte des Geldes, das „Logan Lucky" einspiele, werde unter der Besetzung und der Crew aufgeteilt. „Ich werde dieses Modell pushen und noch mehr auf diese Weise produzieren."

Anders als in „Ocean’s Eleven" plant diesmal nicht ein kriminelles Spitzenteam den großen Raub, sondern Normalos aus West Virginia, die, auch wenn sie hart arbeiten, gerade genug zum Überleben haben. Jimmy Logan, geschieden und liebevoller Vater einer Tochter, verliert wegen einer Versicherungsformalie seinen Job als Bauarbeiter. Mit seinem schwermütigen Bruder Clyde, der im Irak-Krieg einen Unterarm verloren hat und in einer Kneipe arbeitet, plant er den großen Coup.

Nervenkitzel hat keine Priorität

Die Bangs (v.l.n.r.): Fish Bang (Jack Quaid), Sam Bang (Brian Gleeson) und Joe Bang (Daniel Craig). - © Fingerprint Releases
Die Bangs (v.l.n.r.): Fish Bang (Jack Quaid), Sam Bang (Brian Gleeson) und Joe Bang (Daniel Craig). | © Fingerprint Releases

Sie wollen beim großen Nascar-Autorennen abräumen. Das Team komplettieren ihre Schwester Mellie, Friseurin und abgebrühter Sportwagenfan, sowie der Safeknacker Joe Bang und dessen Brüder Fish und Sam. Kleines Problem: Joe Bang sitzt noch im Knast. Aber auch dafür gibt es eine Lösung. Denn die Appalachen-Hillbillys gehen schlau und kreativ ans Werk, bringen Kakerlaken, Torten und Gummibärchen zum Einsatz, um die unterirdische Rohrpost anzuzapfen, in der die Einnahmen des Rennspektakels zirkulieren.

Der Raubüberfall folgt bekannten Mustern, doch temporeicher Nervenkitzel ist nicht Soderberghs Priorität. Er gibt den Schauspielern viel Spielraum, den sie sichtlich mit Spaß nutzen. Allen voran Daniel Craig, der seine Nebenrolle zum Ereignis werden lässt. Als James Bond hat er schmallippige Eisigkeit perfektioniert. Joe Bang spielt er so aufgekratzt und mit so viel irrer Energie und Witz, dass man sich schon jetzt auf die Nach-Bond-Zeit freut, wenn der Brite wieder seine große schauspielerische Bandbreite zeigen darf.

Grandios dreht auch Hilary Swank mit ihrem späten und kurzen Auftritt als fiebrig ehrgeizige FBI-Agentin auf.
Weniger überdreht stellen sich die Logans dar mit einem in sich ruhenden, kraftvollen Jimmy (Channing Tatum), dem schräg-hintergründigen Cyrus (Adam Driver) und der frechen Mellie (Elvis-Enkelin Riley Keough). Katie Holmes gibt Jimmys verkniffene Ex-Frau, die in ihrer neuen Ehe unglücklich wirkt.

Liebeserklärung an die Schrullen Amerikas

Bei den trashigen Outfits der Frauen haben Kostüm und Maske ganze Arbeit geleistet.
„Logan Lucky" bedient Klischees, belässt es aber nicht dabei. Der Film ist eine liebevolle, herzliche und in leuchtende Farben getauchte Liebeserklärung an die oft belächelten oder gar verachteten Menschen im ländlichen Amerika. Soderbergh, selbst Südstaatler, zeichnet mit seinen enthusiastischen Darstellern liebenswerte, schlaue, schrullige Helden des Alltags, die ihr Land und ihre Familien lieben und einen wunderbar trockenen Humor haben.

Ein wenig Sentimentalität und Wehmut gönnt sich Soderbergh auch. Etwa, wenn Jimmys kleine Tochter beim Schönheitswettbewerb John Denvers „Take me Home, Country Road" anstimmt und der Saal mitsingt. Oder wenn Country-Star LeAnn Rimes vor dem Rennen inbrünstig „America the Beautiful" singt. Aber das ist eben auch Amerika.