Dortmund. Bestens bekannte Hymnen zum Mitsingen, eine aufwendige Show mit viel Konfetti und große Emotionen: Das Comeback der Kelly Family in Dortmund ist für ihre Fans nach langen Jahren des Wartens ein echter Genuss. Dass die Inszenierung manchmal etwas zu perfekt ausfällt, gleichen die sechs zurückgekehrten Bandmitglieder mit Herzlichkeit, musikalischer Klasse und dem typischen Kelly-Charme aus.
Dreimal hintereinander am Wochenende vom 19. bis zum 21. Mai spielt die Kelly Family vor jeweils 10.500 Fans in der ausverkauften Westfalenhalle. Das Konzert am Samstag ist der mittlere der drei Auftritte, aber nur an diesem Abend ist die Presse zugelassen. Die Stimmung in der Halle beim „richtigen" Comeback am Freitag zeigt ein Video des ersten Liedes „I Cant Stop the Love", das auf dem offiziellen Facebook-Account der Kelly Family zu sehen ist:
DORTMUND!!!!! WAHNSINN!!!!!
Posted by Kelly Family on Freitag, 19. Mai 2017
Der Schlagzeuger betritt als erster die Bühne, die übrigen fünf plus die sechsköpfige Begleitband folgen. Später kommt als Überraschungsgast noch Bruder Paul dazu, der bereits in den 80ern ausstieg. Die Kellys legen nach Jahren der Trennung viel Wert auf Harmonie und Einigkeit, die sich aber auch in ihrer Vielfalt zeigt. Bei jedem der ersten sechs Songs hat jeweils ein anderer Kelly seinen großen Auftritt als Leadsänger. Jimmy verkörpert den klassischen Rockstar; bei Joeys „Why Why Why" wird es sogar noch härter, hitzige Feuershow inklusive. Die beiden Frauen in der Band lassen es mit „First Time" (Patricia) und „Come Back To Me" (Kathy) ruhiger angehen.
Die großen Hits aus den 90ern
Die Kellys spielen hauptsächlich ihre großen Hits aus den 90er-Jahren, modernisiert und neu arrangiert. Zum größten Teil klingen sie dadurch besser als früher, auch wenn die Unterschiede ohne direkten Vergleich kaum zu hören sind – mit einer Ausnahme. Das wohl bekannteste Lied „An Angel" leitet Angelo mit den Worten „Mal gucken, ob ihr es erkennt" ein. Damit liefert er einen entscheidenden Hinweis: Da er selbst die hohen Töne nicht mehr erreicht wie noch als Kind, teilt sich die Band die Gesangsparts, und einen großen Teil übernehmen ohnehin die Fans. Auf dem neuen Album springt Angelos elfjährige Tochter Emma ein, live nicht.
Neben dem bewährten musikalischen Stilmix aus Pop, Rock und Folklore bieten die Kellys eine bunte Show. Auf die Zuschauer fliegen bei „Imagine" grün-weiße Luftballonschlangen herab, bei „Nanana" knallt es wie im Musikvideo aus der Konfettikanone. Jede Bewegung, jeder Ton, jede auf die riesigen Leinwände übertragene Kameraeinstellung sitzt. Umso erfrischender ist es, als Jimmy am späten Abend mitten im neuen Song „We Got Love", titelgebend für das Album und die kommende Tournee, abbricht und Richtung Technik ruft: „Kann ich bitte die Trommeln auf meinem Monitor haben? Wir sind gerade total durcheinander!" Ein sympathischer Anachronismus in einer makellosen Bühnenwelt, der die Begeisterung der Fans nicht trübt.
Zweieinhalb Stunden auf der Bühne
Die Kelly Family 2017 ist nicht mehr so unverfälscht und unbekümmert wie vor 20 Jahren. Aber das muss sie auch gar nicht sein. Indem sie moderne Pop-Perfektion mit der Erinnerung an ihre wilden Zeiten vereinen, sind die Kellys heute gleich zwei Versionen von sich selbst auf einmal. Das wird besonders deutlich, als John beim letzten Lied „Wholl Come With Me (Davids Song)" über die Videowand ein Duett mit sich selbst als Kind singt und andächtig kniend seinem 2002 verstorbenen Vater zuschaut, Bandgründer Dan Kelly, dessen charakteristischer Sprechgesang eingespielt wird.
Fast zweieinhalb Stunden stehen die Kellys auf der Bühne, dazwischen gönnen sie sich nur eine halbe Stunde Pause. Nach drei Zugaben kann keiner der Fans ernsthaft unzufrieden mit dem Comeback sein. Die sind zum Teil aus Spanien, Portugal, Irland, Tschechien, Polen, Kroatien, den Niederlanden oder der Schweiz angereist. Bei der mittleren Zugabe „Take My Hand" fasst sich das Publikum an den Händen und liefert so während der Familien- noch eine Völkerzusammenführung, angestoßen von Patricia Kelly. Ein einziger kleiner Wermutstropfen bleibt am Ende: Angelo hat sein augenzwinkerndes Versprechen vom Bad in der Menge nicht eingelöst. Aber vielleicht hebt er sich das ja für den Schlussakt am Sonntag auf.
INFORMATION
Das Comeback
- Ursprünglich sollte es nur ein einziges Comeback-Konzert in der Westfalenhalle geben. Da die Tickets dafür nach 18 Minuten und die für ein spontan angesetztes Zusatzkonzert nach zwei Stunden vergriffen waren, wurde ein ganzes Comeback-Wochenende daraus.
- Ab Januar 2018 gehen die Kellys auf Deutschland- und Europa-Tournee in 32 Städten. Am 16. Februar kommen sie nach Halle ins Gerry-Weber-Stadion. Karten dafür gibt es bei Erwin Event.
- Das Album „We Got Love" mit neu eingespielten Hits und einigen neuen Stücken erschien Ende März und stieg auf Platz 1 der deutschen Album-Charts ein.
- Von den bekannten neun der insgesamt zwölf Kelly-Geschwister gehören aktuell Kathy, John, Patricia, Jimmy, Joey und Angelo zur Band, als „Special Guest" steht Gründungsmitglied Paul Kelly auf der Bühne. Nicht dabei sind Paddy und Maite, die sich ihren Solo-Projekten widmen, sowie Barby, die nicht live auftritt, aber an dem neuen Album mitwirkte.