
Bielefeld. Michael van Merwyk rief, und alle kamen. Das Mini-Podium der Extra Blues- Bar wurde zur Drehscheibe für die Großfamilie der ostwestfälischen Bluesszene, die sich an den Instrumenten abwechselte und in immer neuen Konstellationen präsentierte. Vor der Bühne standen und tanzten die Gäste dicht an dicht. Die „German Blues Awards – The OWL Winners Party", zu der Blues-Vizeweltmeister van Merwyk geladen hatte, wurde eine sensationelle Bluesnacht, die lange in Erinnerung bleiben wird.
Die Extra Blues-Bar, in diesem Jahr bei den German Blues Awards als Bester Club Deutschlands ausgezeichnet, kam in Optik und Stimmung schon immer einem Juke Joint im Süden der USA erstaunlich nahe. Am Samstag galt das auch für das Klima. Die Luftfeuchtigkeit erreichte schnell Grade, die an einen schwülen Sommerabend in Mississippi denken ließen. Der Schweiß floss auf und vor der Bühne in Strömen. Der guten Stimmung tat das keinen Abbruch. Jeder spürte: Dieser Abend ist außergewöhnlich – in jeder Hinsicht.


„So etwas funktioniert nur zusammen mit dem Publikum. Dies hier ist ein Dank an alle, die mitgemacht haben", eröffnet Gastgeber Michael van Merwyk den Abend. Anlass der OWL-Blues-Revue ist die Tatsache, dass in diesem Jahr Musiker aus Bielefeld und Ostwestfalen bei den German Blues Awards diesmal besonders oft nominiert und mit Preisen bedacht wurden.
Das Bielefelder Duo Bad Temper Joe (Gesang, Gitarre) und Marcel (Mundharmonika) macht mit charismatischem Countryblues den Anfang in der langen Reihe der Musiker und Bands. Greyhound George und Andy Grünert, die Deutschland im Januar in der Endrunde der International Blues Challenge in Memphis, Tennessee, vertraten, übernehmen anschließend den Akustik-Blues-Staffelstab. Sie besingen unter anderem „A Good Year for the Blues", was gut zum Motto des Abends passt. Andy Grünert bringt das Publikum mit seinem durchdringenden Blues-Shouter-Organ und Blind Boy Fullers „Step it up and Go" in Stimmung. Niemand lässt sich das zweimal sagen.
Der nächste Set steht im Zeichen des Bluesrocks. Michael van Merwyk, begleitet von seinem „Delta Boys"-Harp-Partner Gerd Gorke, Bassist Wolfgang Lohmann und den sich abwechselnden Schlagzeugern Detlev Schütte und Tommy Bornemann, spielt einige Eigenkompositionen wie „The Bear" oder „Watch out!". Sehr gut kommen aber auch die Blues-Fassungen von Songs seiner Jugendhelden wie The Clash oder Iggy Pop an. „Blues-Puristen rümpfen dann immer ein bisschen die Nase, aber das ist mir egal", meint der schwergewichtige Musiker und Sänger selbstbewusst.
Richie Arndt, stolzer Award-Träger für seine „Mississippi"-Doppel-CD (Bester Tonträger), geht den dritten Set etwas ruhiger an: „Walking in Memphis". Der Klassiker ist in Arndts Interpretation auch auf der preisgekrönten CD zu hören, die mit einer Art musikalischem Tagebuch an der Reise des Bielefelders an den Mississippi und nach New Orleans teilhaben lässt. Richie Arndt lässt sich anfangs lediglich von Karl Godejohann am Schlagzeug begleiten – ein stimmungsvoller, musikalisch fein austarierter Moment.
Danach biegt der bunte Bluesabend mit Volldampf auf die Zielgerade ein. Gerd Gorke (Mundharmonika), Wolfgang Lohmann (Bass) und van Merwyk verpflanzen Muddy Waters’ „Rolling Stone" ins Boogie-Land. Countryblueser Greyhound George gesellt sich hinzu und versetzt dem erfreut aufjuchzenden Publikum mit seiner Halbakustischen E-Gitarre energetische Slide-Stöße. Richie Arndt scheint seine Telecaster mit leidenschaftlich rasanten Läufen förmlich auszuwringen.
Das Schluss-Highlight setzt Star-Gast Tanja Schelchow aus Stuttgart, Trägerin des German Blues Awards in der Kategorie „Gesang weiblich". Mit elektrisierendem Janis-Joplin-Timbre singt sie Klassiker wie „Ramblin’ on My Mind", „The Thrill Is Gone", „Stormy Monday", „Hoochie Cootchie Man". „Let the Good Times Roll" heißt es zum Schluss, eine Aufforderung, der das Publikum den ganzen Abend schon nachgekommen ist.
„Der Plan ist rundum aufgegangen", zieht Organisator van Merwyk zufrieden Bilanz. „Ich habe heute auch viele neue Gesichter gesehen, was mich besonders freut." Wird es nach diesem Erfolg, der gewiss einen Ehrenplatz in der Chronik der Extra Blues-Bar verdient, eine Neuauflage geben? „Ich denke in den nächsten Tagen drüber nach", verspricht van Merwyk.