Seit wann genügen Zuschauen, Zuhören und Klatschen eigentlich nicht mehr? Immer mehr Besucher von Live-Shows halten ihr Smartphone nach oben – und die Geschehnisse auf der Bühne in Film und Foto fest. Direkt wird alles noch während der Show per WhatsApp, Instagram und Youtube mit den Freunden geteilt. Muss das sein?
Als Musiker und glühender Musikfan gibt es für mich kaum eine bessere Beschäftigung als der Besuch eines Konzerts. Fast alle meine Lieblingsbands durfte ich schon live erleben, für manche bin ich ins Ausland geflogen, andere konnte ich fast vor meiner Haustür in Bielefeld sehen. Ich besitze keine Ton- oder Videoaufnahme, kein Foto von einem dieser Konzerte. Denn Musik zu hören und zu sehen, die direkt vor meinen Augen entsteht, ist etwas so Besonderes, das ich ganz und gar erleben will. Ohne Ablenkung.
Mein Dank geht daher an alle, die mir bei Konzerten ihr Smartphone vor die Nase halten. Euch verteufele ich, während die Band vorne meinen Lieblingssong spielt. Und Euch bin ich zutiefst dankbar, wenn ich später zurückdenke und im Netz Fotos und Videos von Konzerten finde, die ich besucht habe. Vor Kurzem stieß ich auf ein Video vom Auftritt eines meiner Lieblingskünstler, Sufjan Stevens, in Köln im Jahr 2006. Ein so besonderer Auftritt, dass ich ihn nach fast zwölf Jahren immer noch lebhaft in Erinnerung habe. Es ist ein fast unwirkliches Erlebnis, wie eine Zeitreise, das noch einmal sehen zu dürfen, wenn auch in mieser Bild- und Tonqualität. Danke Unbekannter, dass Du mir damals vielleicht die Sicht versperrt hast und mir heute wegen Deiner Aufnahmen fast die Tränen kommen.
Damals gab es Instagram und WhatsApp noch nicht. Heute ist es normal, dass Konzertbesucher, noch während ihr Lieblingslied gespielt wird, Hashtags vergeben und den passenden Foto-Filter auswählen. Und den Moment so verpassen. Da kann ich nur sagen: selbst schuld. Ja, vielleicht wäre es schöner, wenn die Menschen wieder Feuerzeuge statt Telefone in die Luft halten. Aber in einer Zeit, in der soziale Medien jedes Ereignis begleiten, sollten sie auch von Konzerten nicht ausgeschlossen sein. Sie verbinden Fans untereinander und Künstler mit ihren Fans. Und sie machen Erinnerungen lebendiger.