Er ist der Gentlemanmusiker im Anzug, der smarte Entertainer mit der Trompete und ein internationaler Jazzstar made in Germany. In einer eher ungewöhnlichen Musiksparte hat es Till Brönner (45) zu ungewöhnlichem Erfolg gebracht. Im Interview verrät Brönner, dass er sein Instrument mitunter an die Wand pfeffern möchte, wie er zum Sänger wurde und warum das gute Leben manchmal ein Wollpullover ist.
Herr Brönner, was macht „The Good Life", ein gutes Leben für Sie aus?
Till Brönner: Mein gutes Leben, darf ich versichern, findet fast täglich statt. Ich bin jemand, der ein sehr privilegiertes Leben führt, weil ich Musik machen darf. Die Vorstellung, dass ich das nicht mehr machen dürfte, die schreckt mich. Und es gab selten, aber tatsächlich dann und wann mal Phasen, in denen ich nicht so Musik machen konnte oder fast daran gehindert wurde und ich war nicht derselbe Mensch.
Inwiefern?
Brönner: Ich habe gemerkt, dass Musik für mich selbstverständlich ist. Auch weil es nicht zu trennen ist von mir, wie mein Lebenselixier. Anderseits ist es überhaupt nicht selbstverständlich, dass ich das, was ich so gerne wie nichts anderes auf der Welt mache, auch beruflich machen darf und auch noch jetzt mit 45. Insofern führe ich wirklich ein gutes Leben. Allerdings ist es auch mit einem Preis verbunden wie alles im Leben. Sich dessen bewusst zu sein, ist mit zwölf, als ich mich damals entschied, Musiker zu werden, natürlich total schwer bis unmöglich. Heute muss ich sagen, hätte ich damals gewusst, was es an Energie kostet, so viel zu reisen und nur als letztes am Tage für ein, zwei Stunden auf der Bühne noch wirklich Musik zu machen, hätte ich . . . es wahrscheinlich trotzdem gemacht. (lacht)
Sie wären nicht lieber bei der Blockflöte, Ihrem ersten Instrument, geblieben?
Brönner: Nein auf keinen Fall.
Sie haben für die No Angels und Hildegard Knef produziert, waren Juror der Castingshow „X-Factor", spielten mit Jazzgrößen, Popsternchen und vor Barack Obama im Weißen Haus. Wie kommt man zu so einer Mischung von Karriere und Leben?
Brönner: Das ist eine Mischung aus bestimmten Zufällen und Glück. Es kommt auf die Menschen an, die man trifft, auf Neugierde und am Ende auch wieder auf die Beschränkung. Ich habe auf dieser Reise, so möchte ich es nennen, auch einiges gelernt. Und es gibt Dinge, die würde ich heute nicht mehr so machen.
Zum Beispiel?
Brönner: Ich würde, glaube ich, nicht mehr versuchen, mich als Produzent der reinen Kommerzialität und den Formatradios anzudienen. Da ist meine Selbsteinschätzung aber auch total gesund. Ich möchte mir selber nah sein, so nah wie es geht.
Und das geht nicht als Produzent?
Brönner: Bei allen Produktionen, die ich gemacht habe, steckte auch immer ein ganz großer Teil von mir mit drin. Und wenn ich nicht daran gehindert wurde, den einzubringen, dann hat mir die Produktion auch viel Spaß gemacht. Aber Musik wird heute ganz anders produziert. Der eigentliche Produzent ist der, der heute Künstler A und morgen Künstler B völlig unabhängig produzieren kann, und am besten so, dass die Charts anfangen zu wackeln. Ich bin mit meiner Trompete zum Glück sehr gut ausgelastet und würde mich von heute aus betrachtet nur noch Projekten widmen, mit denen ich selbst etwas anfangen kann.
Wie viel ist bei Ihnen Plan im Leben, wie viel jazztypische Improvisation?
Brönner: Es ist sehr viel Improvisation dabei. Wie damals bei den „No Angels". Die machten ein Jazz-Album und dachten sich, fragen wir doch mal den Brönner. Und die große Hildegard Knef habe ich bei einem Geburtstag kennengelernt. Wir verstanden uns einfach, hatten einen Draht. Sie hat mir viele Geschichten gezählt. Künstlerisch und auch politisch war das eine Schule, die man sich in keinem Buch aneignen kann. Es waren Menschen wie die Knef, die sich damals neues Blut ins Boot holten, um frisch zu bleiben. Und ich war einer dieser jungen, neuen Typen. Alles, was sie schon kannte, hielt sich die Knef vom Leib.
Haben Sie sich diese Art abgeguckt?
Brönner: Man muss auf jeden Fall neugierig bleiben. Allerdings leben wir in einer Zeit, in der viele Dinge „nur noch" eine Fusion von bestehenden Stilrichtungen sind. Große, bahnbrechende musikalische Neuerfindungen, die haben andere vor uns vollbracht. Da muss unsere Generation ganz nüchtern und fair sich selber gegenüber sein.
Was bleibt denn dann?
Brönner: Wir müssen wiedererkennbar sein. Wir dürfen nicht daran kaputt gehen, dass wir Gesetze nicht mehr brechen können. Musik ist in vielen Teilen eine erschlossene Wissenschaft. Heute geht es um die Kombination, Rückbesinnung kann auch noch spannend sein.
Ihr aktuelles Album widmet sich dann auch Standards von Jazzgrößen wie Frank Sinatra. Sich Stücke mit einem so hohen Wiedererkennungswert vorzunehmen, ist eine Gratwanderung.
Brönner: Das ist natürlich eine Geschmacksfrage. Würde ich einen Komponisten kennen, der Stücke dieser Qualität heutzutage schreibt, ich würde Tag und Nacht mit ihm arbeiten, und zwar exklusiv, wenn ich das könnte. Wir haben es aber leider mit einer Zeit zu tun, in der Stücke dieser Qualität, dieser Poesie nicht mehr geschrieben werden. Zu Zeiten von George Gershwin und des Broadways war das aber die Musik, die man schreiben musste. Eine wilde Zeit. Wir haben es heute mit anderer Musik zu tun, und das sage ich völlig wertfrei. Es ist ja gut, dass die Zeit weitergegangen ist. Und ich bin auch kein Nostalgiker. Mein Ziel war es, ein Album mit diesen Texten aufzunehmen, die oft beispiellos poetisch sind und von den größten Könnern auf ihrem Sektor geschrieben worden sind.
Wie macht man sich bei der Arbeit mit Stücken, die so bekannt sind, denn frei von Nostalgie?
Brönner: Indem man akzeptiert, dass es sowieso immer nach einem selber klingen wird. Und das ist auch das Ziel. Wir sind Kinder einer anderen Zeit. Es gibt von mir sicherlich Alben, die ein bisschen moderner klingen, als das hier. Aber „The Good Life" ist ein Gefühl- und Konzeptalbum. Es geht um ein Gefühl, das sich zum Entspannen eignet, einen Zustand, in dem ich selbst gerne häufiger wäre, als ich es bin.
Diese Album klingt doppelt nach Ihnen selbst – weil Sie singen. Ihre Singstimme hat man zwar schon ab und zu gehört, aber nicht so geballt.
Brönner: Ja das stimmt.
Wie kam es dazu?
Brönner: Mein Produzent hat mich überlistet. Er wollte unbedingt ein Album machen, auf dem ich singe, und zwar in der Hauptsache. Ich habe aber gesagt, dass das nicht passieren wird, weil ich dafür nur eins auf die Mütze kriegen werde. Er sagte dann: Okay, wir machen das so. Wir nehmen einfach ebenso viel Instrumentals wie Vocals von dir auf. Du bleibst aber der Boss und entscheidest selbst, was am Ende aufs Album kommt. Es war ein Experiment.
Ein experimentelles Album trotz Jazzstandards?
Brönner: Ja, vor allem für mich selbst, weil ich kein geborener Sänger bin. Ich musste mich ganz anders vorbereiten. Es gab auch Stücke, die wir aufgenommen haben, die es dann nicht aufs Album geschafft haben, weil sie nicht so flüssig oder zu angestrengt klangen.
Und, Experiment geglückt? Was ist Ihr eigenes Fazit?
Brönner: Ich weiß noch nicht genau, was das am Ende zeitigen wird. Ich werde nie ein großer Sänger sein, das ist mir schon klar. Aber mir ist auch klar geworden, dass ich die Trompete und die Stimme im Kopf nicht trennen darf. Ich komme in Teufels Küche, wenn ich mich jedes Mal beim Singen frage, ob das jetzt im Vergleich zur Trompete gut genug ist. Davon musste ich mich erst frei machen. Und das hat sich als richtig erwiesen. In der Kombination geht es gut auf.
Sie reisen seit Jahren durch die Welt, sind fast schon ein Weltbürger. Was ist an Ihnen trotzdem sehr deutsch?
Brönner: Ich bin nicht so viel anders als jeder andere Deutsche auch. Meine humanistische Ausbildung und meine Tugenden sind sehr deutsch und auch das Abwägende, das einen manchmal langsamer macht, als einem lieb ist. Das ist eine sehr deutsche Eigenschaft. Wir Deutschen gelten in der Welt als Bedenkenträger, als Menschen, die immer noch einmal selbst an sich kratzen, bevor man ein Kompliment annimmt. Mich würde freuen, wenn es irgendwo mal das Wort der deutschen Lässigkeit geben würde.
Auf dem neuen Albumcover tragen Sie jetzt lässig Wollpullover statt Anzug.
Brönner: Die deutsche Lässigkeit, jetzt ist sie da (lacht). Nein, jetzt kommt ja die kältere Jahreszeit. Im Pullover am Kamin sitzen und sich entspannt Musik anhören, das ist auch „The Good Life".
Weniger prominent auf dem Cover ist diesmal Ihre Trompete. Ist Ihr Instrument für Sie eher Gebrauchsgegenstand oder eher Partner?
Brönner: Gebrauchsgegenstand auf keinen Fall. Partner? Das ist schon eine sehr leidenschaftliche Partnerschaft. Aber ohne sie komme ich auch nicht klar. Ich habe es geschafft, in 35 Jahren Trompetespielen das Ding nicht einmal an die Wand zu pfeffern, aber ich kann Ihnen versichern, ich war mindestens 35 Mal kurz davor.