Interview

Warum Birgit Schrowange eine "coole Alte" werden möchte

Birgit Schrowange feiert bald ihren 58. Geburtstag. Im Interview mit Monika Dütmeyer verrät sie, warum Müßiggang, Lebensfreude und der Bauch wichtige Begleiter auf dem Weg dahin sind.

Warum Birgit Schrowange eine "coole Alte" werden will. | © DPA

27.02.2016 | 27.02.2016, 19:28

Mit Bescheidenheit kommen Frauen nicht weiter, aber mit Verantwortung für das eigene Leben – lautet Ihr Rezept. Welche typisch weiblichen „Zähne" möchten Sie den Leserinnen Ihres Buches noch ziehen?
Birgit Schrowange:
Ich möchte vermitteln, die Bescheidenheit ein bisschen über Bord zu werfen und mehr an sich zu denken. Das Leben ist so kurz. Und gerade bei Frauen meiner Generation, die sich für alles verantwortlich fühlen, für Kinder, für soziale Kontakte und dem Mann den Rücken freihalten, kann das auch nach hinten losgehen.

Haben Sie das schon einmal erlebt?
Schrowange:
Ich erlebe das in meinem Bekanntenkreis. Es gibt viele Frauen, die sich immer zurückgenommen haben, die vielleicht ihr Studium aufgegeben haben, weil Kinder kamen. Eine Bekannte, die eigentlich auch Medizin studieren wollte, landet letztendlich als Sprechstundenhilfe in der Praxis ihres Mannes. Irgendwann lernte er eine Jüngere kennen und das war es dann. Meist sind es Frauen, die in die Armutsfalle geraten und da sage ich: Augen auf! Es ist wichtig, Unabhängigkeit zu bewahren, sich auch mal zu kümmern. Zum Beispiel um Geld. Zu viele sagen: Davon habe ich keine Ahnung, das macht mein Mann.

Sie richten sich ja besonders an Frauen in der „zweiten" Lebenshälfte – finden Sie die persönlich schwieriger?
Schrowange:
Nein, überhaupt nicht. Ich fühle mich in der zweiten Lebenshälfte sehr viel wohler. Man hat mehr Selbstbewusstsein, man weiß, wo man steht und ist gelassener. Als ich jung war, habe ich mich nicht getraut, den Mund aufzumachen. Meine Generation ist gerade auf dem Land auch so erzogen worden. Da hieß es, immer schön bescheiden sein. Ein Mädchen muss auch nicht studieren, das heiratet sowieso. Da hat sich heute einiges geändert. Aber ich stelle fest, dass immer noch viele junge Frauen auf der Suche nach dem Traumprinzen sind, der ihnen alles abnimmt.

Das klingt nach einem Rückschritt.
Schrowange:
Das Arbeitsleben ist auch hart. Aber es ist auch so, dass man heute nur noch drei Jahre Unterhalt bekommt. Wir haben vor einiger Zeit bei Extra einen Beitrag über „Sugerdaddys" gemacht. Da war ich schon erschüttert, wie viele junge Frauen es darauf absehen, Jugend und Liebe gegen Geld einzutauschen.

Woran liegt das?
Schrowange:
Ich weiß nicht. Wir haben uns ja viel erarbeitet. Als ich vor 35 Jahren anfing, gab es kaum Frauen in Führungspositionen. Das war eine reine Männerwelt. Frauen waren Assistentinnen oder Ansagerinnen. Als die erste Moderatorin Barbara Dickmann Ende der 1970er Jahre die Tagesthemen moderierte, da ging ein Aufschrei durch die Lande. Es gibt heute Gott sei Dank viele taffe Frauen. Ich habe selbst eine Chefin, wir haben eine Bundeskanzlerin, das wäre früher undenkbar gewesen.

Wäre es für Sie auch denkbar, als Sängerin zu sein? Ihrem Buch liegt ja auch eine CD bei.
Schrowange:
Ganz im Geheimen bin ich Sängerin (lacht). Auch das spreche ich in meinem Buch an. Wenn Menschen Wünsche haben, dann sollten sie die verfolgen. Wenn eine Frau einen Bauchtanzkurs machen möchte, dann sage ich: Mach das, egal was der Mann oder andere sagen. Ich singe eben gerne, nehme Gesangsunterricht und habe eine diebische Freude daran, auf Partys oder Geburtstagen aufzutreten. Ich will damit zwar kein Geld verdienen, bin aber schon dreimal bei Florian Silbereisen eingeladen worden.

Um was drehen sich die Songs?
Schrowange:
Es gibt ein Kapitel in meinem Buch, das sich darum dreht, dass wir viel zu selten faul sind. Manchmal mache ich ein Wochenende gar nichts. Statt aufs Handy, starre ich lieber in die Luft, gehe spazieren und übe den Müßiggang. Das haben wir auch ein bisschen verlernt. An das Kapitel angelehnt ist der Song „Ich bin faul" entstanden. Mein befreundeter Gesangslehrer Gerrit Winter hat ihn für mich geschrieben– und ich kann mich voll damit identifizieren.

Wie konnte das passieren, dass wir so etwas Wichtiges wie den Müßiggang verlernt haben?
Schrowange:
Gerade die Frauen haben ja auch immer so einen Stress. Dann sind Schulveranstaltungen, dann muss man Kuchen backen, nach der Geburt eines Kindes sollte man zwei Wochen später wieder gertenschlank sein. Wir haben leider auch einfach viele falsche Vorbilder aus den Medien, die uns vorgaukeln, dass man dies mal eben schnell erreichen kann.

Sie werden ja oft auf Ihr jugendliches und gutes Aussehen angesprochen. Nervt Sie das manchmal auch?
Schrowange:
Ich freue mich eher darüber und finde es besser, als wenn jemand sagen würde: du siehst aber auch aus wie ein altes Fensterleder. Ich glaube, ab einem bestimmten Alter sieht man so etwas im Gesicht wie Verbissenheit oder Neid. Manche sind zwar superdünn, haben aber so verkniffene Mundwinkel und das ist auch nicht schön. Ich war mit Petra Schürmann befreundet und die hat immer gesagt: Ab 40 ist jeder für sein Gesicht selbst verantwortlich.

Sind Sie denn gar nicht eitel?
Schrowange:
Doch, ich achte sehr auf mich. Zweimal in der Woche gehe ich zum Sport, mache Pilates, etwas Krafttraining und gehe viel mit meinem Hund raus. Außerdem achte ich auf meine Ernährung, gehe regelmäßig zur Kosmetik und ich passe zum Beispiel darauf auf, dass ich nur geschützt in die Sonne gehe. Aber ich bin gegen Liftings und Aufspritzerei. Ich finde, das sieht in den meisten Fällen künstlich aus. Die Menschen sehen dann vielleicht glatter aus, aber komischerweise nicht jünger.

Dass Sie zum Fernsehen wollen, wussten Sie schon früh. Ihre ersten Ansagen haben Sie als Achtjährige mit einer Frotteeperücke geübt.
Schrowange:
Jetzt ist unsere Birgit total übergeschnappt, haben meine Eltern damals gesagt.

Hatten Sie Mitte der 60er Jahre schon weibliche Vorbilder im Fernsehen?
Schrowange:
Das waren Fernsehansagerinnen wie Claudia Doren, Sonja Kurowsky, Petra Schürmann. Ich hab dann aber erstmal eine Ausbildung als Rechtsanwalts- und Notargehilfin gemacht und bin danach einfach zum WDR marschiert. Das hat dem Personalchef so imponiert, dass ich am gleichen Tag mit einem Vertrag als Stenokontoristin nach Hause gegangen bin. Dann dachte ich, so Schrowi, jetzt hast du einen Fuß drin, jetzt musst du was draus machen.

Wie ging es dann weiter für Sie?
Schrowange:
Weil ich sehr ehrgeizig war, habe ich mich schnell zur Chefsekretärin und Redaktionsassistentin hochgearbeitet. Beim Hörfunk hatte ich einen Chef, der mich machen ließ. Ich durfte damals kleine Beiträge schneiden und Ansagen für die Sprecher schneiden. In dieser Zeit habe ich mich immer wieder für Castings beworben. Schließlich wurde ich für die Ansage des Schulfernsehprogramms genommen. Ich war hartnäckig, fleißig und hatte auch das Glück auf meiner Seite.

Dann hatten Sie aber doch schon ein ordentliches Selbstbewusstsein in der ersten Lebenshälfte oder wo haben Sie die Kraft dazu hergenommen?
Schrowange:
Ich weiß nicht, ich habe mein Geld für Sprech- und Schauspielunterricht ausgegeben, hab in einem 15 Quadratmeter-Zimmer gewohnt und mich von Nudeln mit Ketchup ernährt. Ich hatte ein Ziel, das wollte ich unbedingt erreichen.

Ein Kapitel heißt „Endlich weg vom Zweiten" – was dürfen wir uns darunter vorstellen?
Schrowange:
Ich war ja damals Ansagerin und wollte unbedingt meine eigene Sendung haben. Beim ZDF waren die ganzen Plätze schon belegt. Deshalb hab ich mich total gefreut, als RTL auf mich zukam. Und wirklich jeder hat mir damals davon abgeraten, den sicheren Job beim ZDF aufzugeben. Im Nachhinein war das die beste Entscheidung. Manchmal muss man ein Risiko eingehen.

Hätten Sie das gedacht, dass Sie dem Sender und der Sendung Extra über 20 Jahre treu bleiben?
Schrowange:
Als ich 1994 dort anfing, gab es ja RTL schon zehn Jahre. Das Schmuddel-Image ging so langsam und der Sender hatte sich etabliert. Ich hatte mehrere Sendungen und es war eine wahnsinnstolle Zeit! Wir hatten die Möglichkeit, viel auszuprobieren. Mit Extra und Life – die Lust zu leben hatte ich zwei großartige Sendungen. Gerade Extra hat sich im Laufe der Jahre immer neu erfunden. Es macht nach wie vor Spaß.

Viele Kollegen sind schon lange dabei.
Schrowange:
RTL hält an seinen Gesichtern fest, Ulrike von der Groeben, Katja Burkard, Frauke Ludowig, Ilka Eßmüller, wir alle sind mittlerweile über 50. Ich habe noch nie bei RTL gehört, dass ich zu alt bin. Mein Vertrag wurde gerade um zwei Jahre verlängert.

Fernsehfrauen zwar dürfen älter werden, aber nicht älter aussehen. Wann ist die Gesellschaft reif für Frauen mit Falten und grauen Haaren?
Schrowange:
Da bin ich ja immer dran. Ich würde gerne meine grauen Haare rauswachsen lassen und so moderieren. Meine Chefs konnte ich bis jetzt noch nicht überzeugen. Ich muss aber sagen, dass wir Extra aus einer Greenbox senden und da kommen graue Haare nicht ganz so gut.

Ihr erklärtes Ziel ist ja, eine „coole Alte" zu werden. Wie stellen Sie das an?
Schrowange:
Meine Vorbilder sind ältere Menschen, die mit der Zeit gehen und nicht in der Vergangenheit leben, die neugierig sind und sich für alles interessieren. So möchte ich auch gelassen älter werden, meine Lebensfreude und meinen Humor bewahren. Irgendwann werde ich meine grauen Haare herauswachsen lassen, Jeans und Lederjacke tragen und hoffentlich mir immer ein bisschen Verrücktheit bewahren.