Kultur

Beamen ist theoretisch möglich - Ein Dortmunder Professor erklärt wie

Metin Tolan macht die Physik in „Star Trek“ verständlich

Fan der ersten Stunde: Der Dortmunder Professor Metin Tolan. | © DPA

Anke Groenewold
10.05.2016 | 10.05.2016, 16:43

Der Dortmunder Professor Metin Tolan erklärt die Physik in „Star Trek". Sein Buch ist für Laien verständlich, spricht aber auch Physiker an. Faszinierend. Ein Interview mit dem 51-Jährigen, der auch die Physik bei James Bond und beim Fußball untersucht hat.

Herr Tolan, in Ihrem Buch heißt es, dass Sie schon als Kind von „Raumschiff Enterprise" fasziniert waren und es mit Lego nachgebaut haben.
Metin Tolan:
Ich hatte sogar eine Flotte von vier Schiffen.

Aber das waren noch keine Bausätze, oder?
Tolan:
Nein, das war noch echt gebaut. Das hat Riesenspaß gemacht. Ich hatte den Vorteil, dass meine Eltern eine riesige Kiste mit Legosteinen ganz billig gekauft hatten. Meine vier „Enterprise" waren richtig groß und detailreich, eine davon hatte ungefähr die Größe eines Tisches.

Unendliche Weiten: Der Physiker Metin Tolan hat von einem Dialog einer Episode aus „Star Trek – Enterprise" ausgehend das Gewicht des Raumschiffs errechnet: Es wiegt 158 Kilogramm. - © DPA
Unendliche Weiten: Der Physiker Metin Tolan hat von einem Dialog einer Episode aus „Star Trek – Enterprise" ausgehend das Gewicht des Raumschiffs errechnet: Es wiegt 158 Kilogramm. | © DPA

War das der Beginn Ihrer Faszination für den Weltraum?
Tolan:
Das früheste Ereignis, an das ich mich erinnern kann, war die Mondlandung. Unsere Eltern haben uns aufgeweckt und wir sind zu den Nachbarn gelaufen, weil wir keinen Fernseher hatten. Die Übertragung damals war nicht besonders gut, so dass man ein stark „verschneites" Bild gesehen hat. Das war nicht so toll. Aber mir war klar, dass da etwas Wichtiges passiert. Dann lief in den 70ern „Star Trek" im Zweiten Programm. Das war etwas Neues und spielte im Weltraum, den ich durch die Mondlandung ja schon früh kennen gelernt hatte. „Star Trek" hat einen Teil dazu beigetragen, dass ich Physiker geworden bin. Denn wenn man sich fürs Weltall interessiert, ist man schon mittendrin in der Physik.

Sie belegen anhand vieler Beispiele wie dem Warp-Antrieb, also dem Surfen auf einer Raumzeitwelle, dass Star Trek auf einem soliden Physik-Fundament steht.
Tolan:
Ja, es ist großes Bemühen zu erkennen, die Physik halbwegs vernünftig darzustellen. Bei anderen Serien wie „Star Wars" legt man darauf keinen Wert. Da könnte ich Ihnen keinen Dialog nennen, in dem eine physikalisch relevante Sache diskutiert wird. Bei „Star Trek" ist die Physik aber bereits in die Dialoge der Schauspieler fest integriert. Erfolgreich sind aber beide.

Als Laie weiß man oft nicht: Hat das Hand oder Fuß, oder ist das einfach Technobabbel, das sich nur schlau anhört, aber nicht ist.
Tolan:
Ich habe bei meinem Buch eine wichtige Grenze gezogen. Ich nehme als Quelle ausschließlich das, was in den Serien und Filmen gesagt wird. Und da wird richtig gute Physik gemacht.

Überraschend fand ich, dass das Beamen, also die Transportation eines Körpers, physikalisch grundsätzlich möglich ist.
Tolan:
Zum Beamen muss man mehrere Dinge sagen. Erstens ist es richtig, ein großes Raumschiff nicht zu landen. Sie können zwar landen, aber sie kommen nicht mehr weg. Wenn Sie das Schiff wieder hochbringen wollten, bräuchten Sie einen Treibstofftank, der zehnmal so groß wäre wie die Enterprise. Der Grund, warum bei „Star Trek" gebeamt wird, war aber das Budget. Man wollte Kulissen sparen. Ein findiger Mensch kam auf die Idee: Wir brauchen nur Kirk, Spock und McCoy und einen Unbekannten, der später stirbt und meistens eine rote Uniform trägt. So sind sie auf das Beamen gekommen, was auch physikalisch richtig ist.

Inwieweit?
Tolan:
Dass wir die Quantenteleportation heute mit Hilfe von Laserstrahlen experimentell im Labor realisieren können, ist eine faszinierende Sache, die man zur Zeit von „Star Trek" nicht wusste. Noch 1992 dachte man, dass das Limit beim Beamen die Heisenbergsche Unschärferelation ist, deshalb hat man bei „Star Trek" ja „Heisenberg-Kompensatoren" eingeschoben. Man konnte nicht ahnen, dass man die Heisenbergsche Unschärferelation gar nicht kompensieren, sondern nur geschickt umgehen muss. Dann lässt die Quantentherorie das Beamen zu. Trotzdem gilt, dass das Beamen von materiellen Objekten auch in Zukunft sicher unmöglich sein wird. Deshalb sollten Reisebüro-Besitzer ihr Geschäft auch nicht sofort verkaufen!

Woran hakt es?
Tolan:
Die technischen Randbedingungen haben es in sich. Wenn ich mich jetzt nach Hamburg beamen würde, müsste ich mich hier auflösen. Man müsste mich auf ein paar Milliarden Grad erhitzen. Das ist vielleicht unangenehm, ginge aber prinzipiell. Dabei würde eine gigantische Energiemenge frei – so viel wie die Bundesrepublik Deutschland in einem Jahr verbraucht. Was übrigens nicht an meiner zu großen Masse liegt, sondern an der Lichtgeschwindigkeit gemäß der Einstein-Formel E=mc2. Diese Energie müsste man kontrollieren. Und dann muss man dafür sorgen, dass der Energiestrahl, in den man mich verwandelt hat, wieder in Teilchen zurückverwandelt wird. Das geht prinzipiell, ist im Detail aber wieder schwierig. Die technische Umsetzung ist also so gut wie unmöglich.

Fast jeder kennt den Spruch der klassischen Serie: „Der Weltraum. Unendliche Weiten . . ." Ist der Weltraum unendlich?
Tolan:
Die unendlichen Weiten sind nur im übertragenen Sinne gemeint. Das Weltall ist endlich.

Und was ist dahinter?
Tolan:
Diese Frage macht keinen Sinn. Wir denken, da muss jetzt ein Vorhang kommen. Aber das Weltall definiert ja überhaupt erst Raum und Zeit. Dahinter kann zum Beispiel kein Raum sein, weil Raum ja im Weltall ist. Ähnlich ist es mit der Frage, was vor dem Urknall war. Mit dem Urknall ist die Zeit ja erst entstanden, also macht es keinen Sinn zu fragen, was vor der Existenz der Zeit war.

Die „Enterprise ist unterwegs, um fremde Galaxien zu erforschen", heißt es. Sie belegen, dass das etwas vollmundig ist.
Tolan:
Die „Star Trek"-Macher haben die gigantischen Dimensionen des Weltalls nicht auf dem Schirm gehabt. Der nächste Stern, Alpha Centauri, ist vier Lichtjahre von uns entfernt, sprich 40 Billionen Kilometer. Die nächste Galaxie, die Andromeda-Galaxie, ist 2,7 Millionen Lichtjahre entfernt. Nein, die Enterprise kann sich immer nur in einer Galaxis befinden, in der Milchstraße, jedenfalls wenn man die Maximalgeschwindigkeit von tausendfacher Lichtgeschwindigkeit zugrunde legt, die in der Serie selber genannt wird. Es war ein gewisser Genuss, diesen Spruch auseinander zu nehmen. Nicht, um den Star-Trek-Machern Fehler nachzuweisen, sondern um zu zeigen, dass die Dimensionen unseres Weltalls alles in den Schatten stellen, was wir uns irgendwie vorstellen können.

Wenn Sie als wissenschaftlicher Berater für „Star Trek" engagiert würden: Welche Themen würden Sie einbringen?
Tolan:
Ich würde noch viel mehr Feinheiten aus der Quantentheorie nehmen, zum Beispiel die „Viele-Welten-Interpretation" der Wellenfunktion der Quantenphysik. Das wäre das wissenschaftliche Sahnehäubchen. Und ich würde aktuellere Ergebnisse der Forschung einbringen wie das Quantencomputing. Auch das Higgs-Teilchen oder theoretische Vorhersagen wie supersymmetrische Teilchen würden auf der Brücke der Enterprise bei mir schon mal erwähnt.

Und wenn Sie eine Figur spielen könnten, welche wäre das?
Tolan:
Die Rolle des Spock würde ich nicht abschlagen.

Information

Zur Person

  • Metin Tolan, 1965 geboren, ist Professor für Experimentelle Physik und Prorektor für Studium an der Technischen Universität Dortmund.

  • Sein erstes Buch „Geschüttelt, nicht gerührt" über die Physik in James-Bond-Filmen wurde zum Überraschungsbestseller.

  • In „So werden wir Weltmeister" erklärt der Communicator-Preisträger, warum Fußball der ungerechteste Sport der Welt ist.

  • In „Titanic" enthüllt er, was das Passagierschiff mit einer Ente gemeinsam hat.