London. So erfolgreich wie die Harry-Potter-Reihe wird es nicht werden. Aber das Interesse an dem neuen Buch von J.K. Rowling ist gewaltig. Am Donnerstag kommt "The Casual Vacancy" mit einer Startauflage von zwei Millionen Exemplaren auf den englischsprachigen Markt, in Deutschland erscheint es zeitgleich unter dem Titel "Ein plötzlicher Todesfall". Es ist das erste Mal, dass Rowling kein Buch für Kinder, sondern eines für Erwachsene geschrieben hat. Da will alle Welt wissen, ob sie es immer noch schafft, ihre Leser zu verzaubern.
Für den Roman galt die höchste Geheimhaltungsstufe. Rezensionsexemplare gab es nicht vorab. Nur einige handverlesenen Kritikern wurde erlaubt, in die Londoner Verlagsräume von "Little, Brown" zu kommen, um dort in einem fensterlosen Raum das Buch zu lesen. Druckfahnen wurden geschreddert, Computer gesichert, Lastwagen plombiert, die die Bücher auslieferten. Buchhandlungen droht eine Konventionalstrafe von 1.000 Euro für jedes vor dem Termin vom Donnerstag, neun Uhr, in Umlauf gebrachte Exemplar.
Die Geheimniskrämerei feuerte den Rummel so richtig an. In Großbritannien gilt schon jetzt "The Casual Vacancy" als das literarische Ereignis des Jahres. Nur vage ließ der Verlag vorab verlauten, worum es in dem Buch geht. In der Kleinstadt Pagford ist ein Stadtrat gestorben. Barry Fairweather war ein Anwalt der kleinen Leute und repäsentierte die Sozialsiedlung "Fields" die den braven Bürgern von Pagford schon lange ein Dorn im Auge ist. Es beginnt der Kampf um Fairweathers freigewordenen Sitz im Gemeinderat, und das stürzt die Stadt in einen Krieg: "Reiche im Krieg mit Armen, Jugendliche im Krieg mit ihren Eltern, Ehefrauen im Krieg mit ihren Männern, Lehrer im Krieg mit ihren Schülern."
Die Autorin J.K. Rowling hat in den Tagen vor dem Erscheinungstermin einige Interviews gegeben und etwas mehr verraten. Sie hat in dem Buch, das sie über die letzten fünf Jahre beschäftigte, ein gutes Stück ihrer eigenen Lebensgeschichte verarbeitet. Heute, nach der siebenbändigen Harry-Potter-Saga mit ihren mehr als 450 Millionen verkauften Exemplare, ist sie reicher als die Queen. Doch als Rowling an ihrem ersten Buch schrieb, war sie eine alleinerziehende Mutter, lebte von der Sozialhilfe und war darauf angewiesen, dass das Café in Edinburgh, in dem sie an ihrem Manuskript schrieb, sie nicht hinauswarf, obwohl sie sich den ganzen Nachmittag nur eine einzige Tasse Tee leisten konnte.
Kein Wunder daher, dass ihre Sympathien eher den kleinen Leuten in Fields als der satten Mittelschicht von Pagford gehören. So ist ihr neuestes Buch weniger ein Krimi als ein Journal des immerwährenden Klassenkampfes innerhalb der britischen Gesellschaft. "Über die Armen wird immer geredet, als ob sie dieser homogene Brei wären, wie Porridge" meint Rowling.
"Der Gedanke, dass sie Individuen sind und ihr Schicksal aus ganz verschiedenen Gründen erleiden, kommt einigen Leuten nicht." In Zeiten, wo eine konservativ-liberale Regierungskoalition – Rowling selbst spendete eine Million Pfund für Labour – die Sozialhilfe kappt, sieht sie ihr Buch "immer relevanter". Sie besteht darauf, dass der Reichtum – ihr Vermögen wird heute auf umgerechnet 700 Millionen Euro geschätzt wird – ihr nicht zu Kopf gestiegen ist: "Man trifft eine fundamentale Entscheidung, ob man sein Leben von Geld regieren lässt oder umgekehrt."