
Werther. Im Mai dieses Jahres hat David Riedel die Leitung des Böckstiegel-Hauses in Arode bei Werther übernommen und mit einer behutsamen Modernisierung begonnen. Jetzt ist die Ausstellung "Böckstiegel trifft van Gogh" zu sehen. Auftakt zu einer Reihe von Ausstellungen, mit denen Riedel dem Haus neue Impulse geben will. Stefan Brams sprach mit dem Leiter des Museums über den Einfluss von van Goghs Malerei auf Böckstiegel und seine weiteren Pläne rund um das Böckstiegel-Haus.
Herr Riedel, wo und wann hat Böckstiegel van Gogh für sich entdeckt?
DAVID RIEDEL: Im Jahr 1909 ist er nach Hagen ins damalige Folkwang-Museum gereist und hat dort zum ersten Mal Werke van Goghs gesehen. Wirklich entdeckt hat er ihn für sich dann 1912 auf der großen Sonderbund-Ausstellung in Köln, wo 107 Gemälde des Niederländers in der mit 600 Werken damals größten Schau moderner Kunst zu sehen waren.
Ist überliefert, wie Böckstiegel van Gogh und die anderen Maler dort wahrgenommen hat?
RIEDEL: Nicht direkt aus dieser Zeit aber einige Jahre später hat er sich erinnert: "Säle mit Werken der lodernden Flammenschrift van Goghschen Geistes. Die ruhige satte Haltung Gauguins, schwarzer tropischer Urwald, märchenhafte Stille und Schönheit ausstrahlend. Munchs nordische Geisterwelt, vom Lebensstrom getragen, Werden und Vergehen, dämonischer Spuk. Ein Orkan von unerhörter Macht und Fülle künstlerischer und geistiger Formung durchschauerte mich, trieb mich wieder nach Arrode zur Arbeit."
- Das Wallraf-Richartz-Museum in Köln zeigt bis Jahresende die Rekonstruktion der Sonderbund-Schau aus dem Jahr 1912, die Böckstiegel besuchte.
- Sie gilt als wichtigste Präsentation der europäischen Moderne vor dem Ersten Weltkrieg.
- Viele der bedeutendsten Werke sind nun nach 100 Jahren noch einmal nach Köln zurückgekehrt, so dass Besucher die bahnbrechende Ausstellung nachempfinden können.
- Aus aller Welt hat das Kölner Haus 120 der damals gezeigten Bilder zusammengetragen, so 14 Gemälde von Vincent van Gogh, darunter sein Selbstbildnis mit rotem Bart. (dpa)
Gab es einen direkten Einfluss van Goghs auf Böckstiegels Malerei?
RIEDEL: Es gibt viele Werke aus den Jahren 1912/1913, in denen man ganz deutlich sehen kann, wie sehr sie von van Goghs feinen, dicht nebeneinander gesetzten Pinselstrichen, die ein Motiv bilden, beeinflusst sind. Aber vor allem gibt es, und das versucht die Ausstellung zu zeigen, eine große motivische Nähe.
Böckstiegel also ein Kopist van Goghs?
RIEDEL: Nein, er ist kein Kopist des Niederländers, sondern entwickelt bald einen eigenen sehr expressiven Stil. Aber seine Motive, da findet er schon Parallelen bei van Gogh.
Welche sind das?
RIEDEL: Vor allem die emotional aufgeladenen Landschaftdarstellungen und Stillleben van Goghs prägen ihn. Während van Gogh südfranzösische Landschaften, übervolle Felder, Landschaften und Olivenhaine malt, übersetzt Böckstiegel diese Motive in seine westfälische Heimat. Van Gogh ist ein Seelenverwandter, der sich wie er den einfachen Bauern und der Natur verbunden fühlt. Darin fühlt Böckstiegel sich van Gogh nah.
Worin liegen die Unterschiede, wo setzt er sich von van Goghs Arbeiten ab?
RIEDEL: Im Gegensatz zu van Gogh bleibt er immer seiner Heimat treu, und versucht nicht etwa, die südfranzösischen Landschaften oder das mediterrane Licht zu malen. Er ist stolz auf seinen eigenen Horizont. Daraus entwickelt er schließlich seinen sehr expressiven und farbkräftigen eigenen Stil.
Stellen Sie Böckstiegels Bildern Originale von van Gogh gegenüber?
RIEDEL: Nein, das war nicht machbar, da wir als kleines Museum das nie hätten bezahlen können. Wir stellen Böckstiegels Werken daher Wandtafeln mit Reproduktionen von van Goghs Bildern, die 1912 in Köln zu sehen waren, samt informativen Texten zur Seite. Wir präsentieren die Ausstellung in seinem wunderschönen Atelier, das wir für diesen Zweck geordnet und etwas musealer gestaltet haben.
Wenn es schon keinen echten van Gogh zu sehen gibt, sind denn echte Böckstiegels in der Ausstellung zu entdecken?
RIEDEL: Nicht nur das, wir zeigen mehrere Bilder, die bisher noch nicht zu sehen waren. Es sind einige außergewöhnliche Werke zu entdecken, die eine Farbigkeit ausstrahlen, die ich bisher bei Böckstiegel noch nicht gesehen habe. Diese Bilder sind stark von van Gogh beeinflusst. An manchen lässt sich beobachten, wie Böckstiegel van Gogh ganz nah kommen wollte, und wenn das nicht gelang, auch einmal ein Werk verworfen hat.
Wer hat ihn noch beeinflusst?
RIEDEL: Edvard Munch hat ihn sehr begeistert. Auch dessen Einfluss lässt sich in vielen Bildern aus dieser Zeit erkennen – etwa bei den Akt- und einigen Landschaftsdarstellungen. Und natürlich die Brücke-Künstler, deretwegen er 1913 nach Dresden geht, haben ihn sehr geprägt.
Planen Sie weitere Ausstellungen dieser Art?
RIEDEL: Die jetzige Ausstellung ist ein erster kleiner Versuch, mit dem ich zeigen will, dass von diesem Museum fortan neue Impulse ausgehen werden. Zudem gibt es einen Nachlass, der hunderte noch nicht gezeigter Werke Böckstiegels umfasst. Da lässt sich noch vieles Neues denken. Ab November stellen wir zum Beispiel in Zusammenarbeit mit dem Kreisarchiv in Rheda-Wiedenbrück, das den schriftlichen Nachlass Böckstiegels verwahrt, Briefe von ihm aus. So können die Besucher Böckstiegel auch privat ganz nahe kommen und neue, bislang vielleicht unbekannte Aspekte seines Werkes erleben.
- Öffnungszeiten: Mittwochs von 14-17 Uhr und Freitag von 10-12 Uhr. Führungen finden jeden Mittwoch um 17 Uhr und jeden Samstag und Sonntag um 15 Uhr statt, Telefon 0 52 03 / 90 18 72.