BIELEFELD

Hochbunker wird zum Kunst-Raum

Bielefelder Beton-Koloss als kultureller Ort

Markus Griebner und Bernhard Horres (v.l.) vor dem Hochbunker an der Neustädter Straße. Der Erker enthält Sand zur Luftfilterung. | © FOTO: REIMAR OTT

13.07.2011 | 13.07.2011, 00:00

Bielefeld. Sie sind gezählt – die Tage des wuchtigen Hochbunkers an der Neustädter Straße in Bielefeld. Anfang 2012 beginnen die Abbruch- und Umbauarbeiten. Aus dem Bunker von einst wird schicker, neuer Wohnraum. Bezugsfertig ab 2013.

Doch bevor es soweit ist, wird der Bunker zum Kultur-Raum. Unter dem Motto "Bunker:Zeit – Raum – Erleben" kann der Beton-Koloss nicht nur täglich besichtigt, sondern neun Tage lang als kultureller Ort erlebt werden – vom 1. bis zum 9. Oktober

Information
Abend-Programm
  • 1.10.: "Sax & Pipe" mit Andreas Kaling & Ruth Seiler
  • 2.10.: Konzert: "bohren und der club of gore"
  • 3.10.: Vortrag/Lesung
  • 4.10.: Leni-Riefenstahl Filmabend mit dem Filmhaus
  • 5.10.: Poetryslam
  • 6.10.: Konzert mit "Deep Schrott"
  • 7.10.: Lesung-Klang-Bildprojektion
  • 8.10.: Konzert "The Von Duesz"
  • 9.10.: Besuchertag, ohne Abendveranstaltung

"Wir wollen Übergänge schaffen", sagt Autor und Biograf Markus Griebner. "Von der Vergangenheit des Bunkers, über die Gegenwart bis in dessen Zukunft. Aber auch Übergänge innerhalb der vier Geschossen", ergänzt sein Mitstreiter, der Autor und Designer Bernhard Horres. Die beiden Bielefelder hatten Anfang des Jahres, als sie von den Umbauplänen des Gütersloher Architekten lasen, zusammen mit anderen Bielefeldern die Idee, den Bunker vor seiner endgültigen Verwandlung zu einem künstlerischen Projekt werden zu lassen. Und gewannen schnell weitere Mitstreiter vom Kulturamt bis hin zu den Feuerwerkern von Flashart, die aber kein Feuerwerk zünden werden.

Kälte trotz Hitze

"Wir wollen die Wände des Objekts selbst sprechen lassen", betont Horres und öffnet die schwere, grün gestrichene Stahltür zum Bunker. "Herzlich willkommen", scherzt Horres. Beklemmung stellt sich ein. Zwei Meter dick sind die Wände. Kein Geräusch dringt von außen herein. Es ist kühl – trotz der Hitze draußen.

1942 wurde der Koloss gebaut – zum Schutz vor den Bombenangriffen der Alliierten. Am 30. September 1944 wurde der viergeschossige Schutzraum beim schwersten Bombenangriff auf Bielefeld von einer Bombe getroffen. 2.000 Bielefelder saßen hier damals auf Bänken und hofften, dass der Bunker standhält. Das Dach wurde zwar trichterförmig eingedrückt, aber der Bunker stürzte nicht ein.

Horres bittet in den Keller des nach dem Zweiten Weltkrieg kaum veränderten Bunkers, der zeitweise als Möbellager diente und im Kalten Krieg für den möglichen Ernstfall vorgehalten wurde. "Gerade dieser unveränderte Zustand macht das Objekt so spannend für uns", betont Horres.

Projekt startet im Keller

Es wird nochmals deutlich kühler. Die Wände wirken erstaunlich zeitlos. Fluoreszierende Pfeile weisen auch im Dunkeln den Weg. "Männer", "Frauen" ist zu lesen. Wegweiser zu den Toiletten. Jeder Schritt halt dumpf wieder. Ehemalige Sanitäts- und Lagerräume befinden sich hier unten. "Im Keller wollen wir unser Projekt starten und leiten die Besucher daher direkt vom Eingang nach unten", erläutern Horres und Griebner ihre Pläne.

"Erinnerung" wird das Untergeschoss überschrieben sein. Bass-Akustik soll den ohnehin schon beklemmenden Eindruck noch verstärken. Statt des jetzigen hellen Neonlichts werden zudem lediglich schwache Birnen in schmucklosen Fassungen von der Decke baumeln, ein diffuses Licht erzeugen. 15 Zeitzeugen, die Griebner derzeit interviewt, werden hier ihre Erinnerungen auf Bannern lebendig werden lassen. Gemeinsam mit dem Historischen Museum und dem Stadtarchiv soll die Geschichte des Bunkers und seiner Zeit vermittelt werden. Aber es gehe nicht um die xte Auseinandersetzung mit der NS-Zeit, sondern um ein künstlerisches Projekt, so die Macher unisono.

Quer durch den Keller geht es dann wieder empor. Ins Erdgeschoss. "Der Traum" ist dieser große Raum überschrieben. Umlaufende Filmsequenzen, Kontraste im wechselnden Rhythmus und Geräusch-Musik sollen den Raum emotional erlebbar machen – einem Traum nicht unähnlich. Und da es um Übergänge gehen soll, geht es von hier weiter ins erste Obergeschoss, das mit "Das Erleben" überschrieben ist. Surreal soll dieser Raum verwandelt werden.

Herausforderung für Tontechniker

Lese-Klang-Performances werden in den Raum übertragen. Und hier wird sich an den neun Tagen auch das vielfältige Abendprogramm abspielen. Konzerte, Lesungen, Vorträge, Gespräche und Projektionen sind jeden Tag geplant. Eine Herausforderung an die Tontechniker, denn die leeren Räume, die die Außenwelt so sehr abschirmen und völlig entrückt erscheinen lassen, hallen gewaltig nach. Wie werden da wohl Konzerte, Klanginstallationen und Lesungen erst bei den Zuhörern nachwirken?

Es geht weiter – unters Dach ins zweite Obergeschoss. Der letzte Raum. Deutlich wärmer ist er. "Der Aufbruch"wird er betitelt sein. "Diesen Raum werden wir überhaupt nicht verändern. Er soll aus sich selbst heraus sprechen und den Neuanfang, die Leichtigkeit und den Aufbruch versinnbildlichen", betonen die beiden Organisatoren. Helmut Lemke, Dozent für Klangkunst an der Uni Manchester, wird mit einer Klang-Installation dies unterstreichen und "dem Inneren eine Sprache geben", sagt Horres.

Derweil geht es durch das Treppenhaus wieder nach unten. Vorbei an alten Toiletten, die statt durch Türen durch Vorhänge geschützt sind, alten Lüftungsklappen und -schächten, die mit Sand gefüllt sind, der als Filter diente. Die Schritte hallen wider. Ein unheimlicher Raum ist dieser Bunker – nicht nur ob seiner Geschichte, sondern auch weil er so wenig verkommen ist, ja, so modern wirkt.

Neues Leben ab 2013

Sicher eine spannende Herausforderung für die Künstler, die hier temporär Einzug halten werden, diesen Raum angemessen zu bespielen, ehe ab dem Jahr 2013 neues Leben einzieht und der Bunker kein Bunker mehr sein wird. Ein Raum im Übergang – eben.
Zeitzeugen und Schüler gesucht Für ein Dokumentarfilm-Projekt über die Entstehung und Umsetzung des Projekts "Bunker.Zeit" werden Schulen gesucht, die ein solche Projekt umsetzen wollen. Unterstützt werden interessierte Schüler vom Medienzentrum Bielefeld im Ravensberger Park. Kontakt unter Telefon (05 21) 51 86 41.
  • Gesucht werden zudem weitere Zeitzeugen, die Geschichten über den Hochbunker in der Neustädter Straße erzählen können, weil sie selbst in ihm Schutz gesucht haben oder weil sie mit dem Gebäude anderweitig Erinnerungen verbinden. Ansprechpartner ist Markus Griebner. Kontakt unter Tel. (05 21) 16 39 55 1.
  • Getragen wird das Projekt von folgenden Organisationen: Bunker Ulmenwall, Jugendmusik- und Kunstschule, Historisches Museum, Bielefelder Stadtarchiv, den Unternehmen: Deutsche Bank, Böllhoff, Schüco, Flashart sowie der Neuen Westfälischen als Medienpartner.
  • Während der Projektzeit (1.-9. Oktober) kann der Bunker täglich besichtigt werden. Abends gehört der Bunker der Kunst (siehe nebenan). Infos zum Programm unter Telefon (05 21) 64 758.