
Bielefeld. An sich ist "Ronja Räubertochter", das letzte Kinderbuch, das die 2002 verstorbene Astrid Lindgren geschrieben hat, kein Stoff für die ganz Kleinen. Mit einiger Skepsis konnte man daher auf die Idee des Bielefelder Stadttheaters schauen, ausgerechnet diese Vorlage für das traditionelle vorweihnachtliche Schul- und Familienstück zu verwenden.
Groß schien die Gefahr, die psychologische Dimension des Buches zu glätten, das naturmythische Schreckenspotential, das es ohne Zweifel hat, bedenkenlos dem Rotstift zu opfern, und statt dessen einen technisch hochgerüsteten Kulissen-Budenzauber, ein Kostümstück zu präsentieren, das Astrid Lindgren mit Sicherheit nicht behagt hätte. Aber nein: Das von Barbara Hass für die Bühne bearbeitete und von Roland Hüve in Szene gesetzte Stück ist wahrhaftig und zum Glück kein "Lindgren-Light"-Event geworden, sondern ein zeitlos gutes und auch kleineren Kindern zugängliches Theaterereignis.
Woran liegt das? Da ist zum einen das zurückhaltende Bühnenbild: Schlichte Seilstricke symbolisieren Bäume, wechselnde Beleuchtungen des Hintergrunds und ein paar Papierschnitzel-Schneeflocken genügen, um Jahreszeiten anzudeuten. Wie auch eine schräge Holzebene, die zu Beginn in zwei Teile zerbricht, ausreicht, um die beiden Hauptschauplätze Mattisburg und Bärenhöhle darzustellen.
Hinreißende Regieeinfälle
Dann gibt es hinreißende Regieeinfälle zu sehen, wie den Auftritt der Rumpelwichte, oder kluge, wie die nicht zu sehende Prügelszene zwischen den beiden Räubern Mattis und Borka. Außerdem hervorragend agierende Schauspieler, allen voran Charlotte Puder, der man die Ronja von Anfang an abnimmt, was keine Selbstverständlichkeit ist, haben doch erwachsene Schauspieler in kindlichen Rollen oft genug ein Glaubwürdigkeitsproblem. Mit aller zärtlichen Bärbeißigkeit, die Lindgren in diese Vaterfigur hineingeschrieben hat, spielt Gunnar Kolb seine Rolle als Mattis. Und Benjamin Armbruster als Glatzen-Per erzählt die Geschichte so behutsam, dass er den Kindern in spannenden oder konfliktreichen Momenten einen sicheren Anker zuwirft.Es ist überhaupt eine Stärke der Inszenierung, dass den Kleinen nicht mehr zugemutet wird, als sie begreifen können. Freilich mussten dafür einige Szenen gestrichen, einige Figuren harmloser gemacht werden, als sie im Original sind.
Die Kernaussage des Buches aber – "Folge deinem eigenen Gewissen" – steht am Ende klar und unmissverständlich im Raum. Damit ist alles gewonnen. Für Grundschulkinder ist das Stück bestens geeignet. Für Schwärmer, Träumer und im Herzen Junggebliebene obendrein.
Weitere Termine nahezu täglich bis zum 3. Januar, Karten: (01803) 32 23 99 (9 C./Min. aus dem dt. Festnetz; abweichende Preise aus dem Mobilfunk).