Berlin. Filme und Serien über eine Mafia erfreuen sich beim Zuschauer größter Beliebtheit, bietet das kriminelle Milieu doch zahlreiche Ansatzpunkte für spannende Geschichten.
Für gewöhnlich sind die Protagonisten keine Sympathieträger, aber man ist fasziniert von ihrer Raffinesse, geschockt von ihrer Kaltblütigkeit und vielleicht ein ganz klein wenig neidisch auf das Geld, das sie scheffeln. Dieses Werk entführt auf die Insel Korsika in den 1990er Jahren. Die Hauptfigur ist kein blutrünstiger Clan-Boss, sondern das 15-jährige Mädchen Lesia (Ghjuvanna Benedetti), das in eine mafiöse Familie hineingeboren wurde. Erst als eine blutige Auseinandersetzung verfeindeter Parteien ihren Lauf nimmt, setzt sie sich zum ersten Mal wirklich mit dem Family Business auseinander.
Lesia kann zupacken. Auf der Jagd mit den Freunden ihres Vaters Pierre-Paul (Saveriu Santucci) bricht sie schon mal ein erlegtes Wildschwein nach Waidmannssitte auf. Aber sie ist auch eine ganz gewöhnliche Jugendliche, die mit Gleichaltrigen abhängt. Gerade ist ihr Herz für einen jungen Mann entflammt, mit dem sie heimlich rumknutscht. Man will sich baldmöglichst wiedersehen, aber daraus wird nichts. Lesia wird gegen ihren Willen aus ihrem Dorf abgeholt und zu einem konspirativen Haus gebracht, in dem Papa seine Leute um sich versammelt hat. Weggefährten wurden aus dem Weg geräumt, und nun bereitet man sich auf einen Rachefeldzug vor. Lesia findet sich bald mitten in einer Spirale der Gewalt wieder.
Der großartige Kinofilm „Kingdom – Die Zeit, die zählt“ fühlt sich emotional ehrlich und erzählerisch real an. Das mag zum einen daran liegen, dass beide Hauptdarsteller – Ghjuvanna Benedetti (eine Krankenpflegerin) und Saveriu Santucci (ein Hirte und Bergführer) – hier ein sagenhaftes Debüt hinlegen. Es ist aber auch der Tatsache geschuldet, dass Regisseur und Co-Autor Julien Colonna mit der Geschichte seine eigene Jugend aufarbeitet. Sein Vater „Jean-Jé“ Colonna war angeblich ein korsischer Mafia-Boss und kam unter nie ganz geklärten Umständen bei einem Autounfall ums Leben.
Der Filmemacher möchte seinen ersten Spielfilm aber nicht als Autobiografie verstanden wissen, sondern vielmehr als eine allgemeingültige Betrachtung sinnloser Gewalt, die keine Gewinner kennen kann. Und das ist ihm voll und ganz geglückt.