Kino-Tipp

Der Richter und die Kellnerin

Wie das Leben manchmal spielt: Aus der Zweckgemeinschaft zwischen einer ziellos durchs Leben taumelnden jungen Frau und einem griesgrämigen Richter, der wenig Spaß am Leben hat, entwickelt sich eine innige Beziehung.

Selbst ist die Frau: Marie-Line (Louane Emera) und Richter Gilles (Michel Blanc) haben eine Reifenpanne. | © 2025 Lighthouse

04.10.2025 | 04.10.2025, 21:00

Berlin. Dass Marie-Line (Sängerin und Schauspielerin Louane Emera, „Avenir“) in Schwierigkeiten ist, erfährt der Zuschauer gleich zu Beginn, denn die 25-jährige trägt Handschellen und muss eine Leibesvisitation über sich ergehen lassen.

Im Rückblick lernen wir die junge Frau als Bedienung einer Brasserie und Bar kennen. Dort trifft sie Alexandre (Victor Belmondo, Enkel des Jean-Paul), der von ihrer liebreizenden Erscheinung sofort betört ist. Der Student und die Kellnerin stürzen sich in eine stürmische Affäre. Aber schnell wird deutlich, dass die Beiden nur wenig zu verbinden scheint. Er möchte Regisseur werden, Marie-Line kennt nicht einmal Truffaut und pflegt auch sonst keine Leidenschaften, stattdessen aber ihren einbeinigen Vater (Philippe Rebbot). Irgendwann bricht Alexandre den Kontakt ab. Die Geghostete ist untröstlich und verliert auch noch ihren Job, weil sie einen Stammgast mit Kaffee überschüttet und sich dem Geschädigten gegenüber im Ton vergreift.

Als Alexandre Marie-Line endgültig den Korb gibt, rastet diese aus und schubst die treulose Tomate gegen ein Auto. Zufällig ist Polizei zugegen und im Handgemenge wird eine Gesetzeshüterin verletzt. Mit den anfangs geschilderten Folgen.

Bei ihrer Verhandlung wartet eine Überraschung auf die Delinquentin. Der Vorsitzende Richter Gilles (Michel Blanc) ist kein Geringerer als der von ihr in der Bar beschmutzte. Er hört sich von der Verteidigerin Marie-Lines Lebensgeschichte an, die von Schicksalsschlägen geprägt ist. Und er beschließt, ihr eine Chance zu geben. Die 1.500 Euro Geldstrafe sind für die junge Frau unerschwinglich. Richter Gilles bietet ihr an, für eben jenen Betrag einen Monat lang als seine Fahrerin zu arbeiten. Eine ungewöhnliche Symbiose bahnt sich an.

Regisseur Jean-Pierre Améris („Die anonymen Romantiker“) hat dem französischen Schauspieler Michel Blanc, der im letzten Jahr verstarb, einen großartigen Abgang von der Bühne geschenkt. Als nach außen hin bärbeißiger, trinkfreudiger Jurist, den sein Job emotional schwer belastet, brilliert er in jeder Szene und lässt immer wieder auch sein komödiantisches Talent aufblitzen. Ihm wurde Louane Emera zur Seite gestellt, die ihrer Figur herrlich tapsige Züge verleiht und die Herzen der Zuschauer stiehlt. Die Verfilmung des Romans „Changer le sens des rivières“ von Murielle Magellan ist gelungen!