Kommentar

Weniger nackte Haut, bitte!

Zu viel freie Haut in der Kultur tut nicht immer gut, findet unser Autor.

Der rote Vorhang hebt sich und die Schauspieler lassen manchmal ihre Hüllen fallen - zu oft, findet unser Autor. | © Marcus Brandt

Simon Schulz
26.05.2023 | 26.05.2023, 09:05

Ein gutes Theaterstück ist wie ein Cocktail. Die Mischung macht es. Stimmen alle Komponenten, dann entsteht ein Kunstwerk. Enthält ein Cocktail zu viel Alkohol, ist er zu stark. Das Gesamtwerk stimmt nicht. Ist das Bühnenbild eines Stückes zu extravagant, kann es schnell überkandidelt wirken. Handeln Schauspieler auf der Bühne ohne näheren Kontext, bleibt ein negatives Gefühl beim Zuschauer. Im Englischen steht das Wort „Cock“ für die vulgäre Form von Penis. Ebenso wie das Wort „Dick“.

Das Schauspielstück „Moby Dick“ (aktuell im Stadttheater Bielefeld zu sehen) bekommt in dem Zusammenhang eine ganz andere Bedeutung. Schauspieler Simon Heinle entblößt sich dort auf der Bühne. Jedoch in keinem näheren Zusammenhang.

Weder spielt er eine Sexszene noch steht der nackte Körper in irgendeinem künstlerischen Kontext, der zum Verständnis dieses grandiosen Stückes beiträgt. Er zieht sich lediglich auf der Bühne um, steht für eine Minute nackt vor dem Publikum und hält einen Monolog.

Gerade aus der siebten Reihe hat man einen perfekten Blick auf sein Glied. Schön! „War ja klar. Im Theater Bielefeld muss mindestens ein nackter Schauspieler auf der Bühne stehen, sonst ist es kein echtes Schauspiel“, so eine Zuschauerin nach dem Stück.

Im Privatfernsehen ist es Teil des Konzeptes

Nicht nur auf der Theaterbühne ziehen Schauspielerinnen und Schauspieler auf Wunsch der Regisseure blank. In Filmen, Serien und TV-Shows sind nackte Körper seit dem Aufkommen der Privatsender eine Selbstverständlichkeit. Es verwundert eher, ist in einem Blockbuster um 20.15 Uhr keine nackte Haut zu sehen. Aber: Eine Sexszene muss nicht im Detail gezeigt werden. Nahaufnahmen der küssenden Menschen, Schatten an der Wand oder Silhouetten der Körper reichen für die Inhaltsvermittlung bereits aus.

In Reality-Formaten wie „Germany’s Next Topmodel“ oder „Adam sucht Eva“ – den Trash-TV-Zuschauern sind diese Sendungen nicht unbekannt – entblößen sich die Teilnehmer ohne Wenn und Aber. Dort ist es Teil des Konzeptes. Dass nun die entfesselte Nacktheit im Theater Einzug hält, ist bedauerlich. Schließlich soll die Fantasie der Zuschauer angeregt werden. Für alle ohne gibt es Pornos. Die sind auch billiger als eine Theaterkarte.

Diese Form der Inszenierung sorgt auf Dauer für eine Verrohung des Publikums. Wird Nacktheit dann als szenisches Mittel eingesetzt, so kann es seine Wirkung verfehlen. Nackte Menschen haben auf der Bühne ohne näheren Kontext wie im Stück „Moby Dick“ nichts verloren. Die Kunst darf alles, das ist auch gut so. Aber manchmal gilt: Weniger ist mehr.

Sind Sie einer anderen Meinung? Schreiben Sie gerne unserem Autor an simon.schulz@ihr-kommentar.de