
Bielefeld. Wenn ein Maler einen Spielfilm über einen anderen Maler dreht, erwartet man keine biedere 08/15-Biografie, in der die Stationen eines Lebens von der Wiege bis zur Bahre abgehakt werden. Sondern einen freien, spielerischen, visuell ungewöhnlichen Zugang.
In dieser Hinsicht enttäuscht der amerikanische Maler und Regisseur Julian Schnabel („Schmetterling und Taucherglocke", „Basquiat") nicht mit seinem Van-Gogh-Film „An der Schwelle zur Ewigkeit". Sein Film ist kein Biopic von der Stange – allerdings auch kein wirklich überzeugender, großer Wurf.
Großer Schaffenschub und dramatische psychische Abstürze
Der 67-Jährige konzentriert sich auf die letzten zwei Lebensjahre des Niederländers in Südfrankreich. Van Gogh hatte einen großen Schaffensschub, aber auch dramatische psychische Abstürze. Willem Dafoe (62) verkörpert den Maler, der 1890 im Alter von 37 Jahren starb. Mit gewohnt sensibler und intensiver Schauspielkunst gelingt dem Amerikaner die überzeugende Persönlichkeitsstudie einer Künstlerpersönlichkeit, die völlig in der Natur und im Malen aufgeht, aber im Umgang mit anderen schroff ist und unter Einsamkeit leidet. Schnabel will keine Lebensgeschichte ausrollen, er will vom Malen selbst erzählen, von Schaffensprozessen und dem inneren Zwang, Kunst erschaffen zu müssen.
Gogh flieht in den grauen Norden auf der Suche nach dem Licht. Er findet es in Arles und Umgebung. Die Natur versetzt ihn in Ekstase, draußen ist er glücklich und malt wie im Rausch. Schnabel will, dass die Zuschauer die Welt mit van Goghs Augen sehen – oder die Vorstellung, die Schnabel davon hat.
Julian Schnabel arbeitet mit Farbfiltern
Um Vincents mystisches Erleben von Natur erlebbar zu machen, experimentiert Julian Schnabel mit besonderen Mitteln. Dazu gehören Farbfilter, die manche Szenen in das leuchtende Gelb tauchen, das sich so oft in den Bildern van Goghs findet – das Gelb der Sonnenblumen und Weizenfelder. Schnabel setzt zudem eine besondere Blende ein, durch die der obere Teil des Bildes scharf, der untere verschwommen ist. Dazu inspiriert hat Schnabel der Kauf einer Sonnenbrille, die sich als Gleitsichtbrille herausstellte. Er dachte, das würde für Vincents Perspektive passen: „So lassen sich Szenen in der Natur auf andere Weise darstellen.” Das Problem ist, dass derart markante Effekte schnell abnutzen und aufgesetzt wirken, wenn sie überstrapaziert werden. Und das werden sie.
Schnabel lässt seinen Hauptdarsteller viel durch die Landschaft laufen. Dabei hält Dafoe die Kamera mitunter selbst und richtet sie im Gehen auf seine Füße, die Gräser verwandeln sich in flirrende Schlieren. Das ist erst faszinierend, in der Wiederholung ermüdend. Schnabel arbeitet überwiegend mit der Handkamera, was zu Beginn schwindelerregend ist. Der Film erzählt davon, wie van Gogh seine Motive findet und geht auch auf seine Maltechnik ein.
Bei aller Farbigkeit bleibt der Film farblos, sperrig, zäh
Die spärlichen Dialoge drehen sich überwiegend um Malerei und klingen hölzern, mitunter wie Manifeste. Oft beschleicht einen das Gefühl, dass Schnabel van Gogh als Vehikel benutzt, um von sich selbst zu erzählen. Gesellschaftlich war van Gogh ein Außenseiter, was Schnabel schlaglichtartig erhellt. Kurioserweise sind es mehrfach Kinder, die Schnabel als Plagegeister inszeniert.
1890 starb der Maler an einer Schussverletzung, die er sich vermutlich selbst beibrachte. Schnabel aber stellt sich hinter eine jüngere, umstrittene These, nach der der Maler versehentlich von zwei Jugendlichen angeschossen wurde. Obgleich Schnabel unkonventionelle visuelle Mittel einsetzt, wird das Versprechen eines spektakulär anderen Blicks auf Vincent van Gogh nicht eingelöst. Schnabel verlässt sich stark auf seinen Hauptdarsteller, aber am Ende reicht das nicht. Bei aller Farbigkeit bleibt der Film farblos, sperrig, zäh.
Quälend ist die Filmmusik, vornehmlich ein dröhnender, drückender Klavier-Soundtrack von Tatiana Lisovskaya, eigentlich Geigerin, der in seiner Penetranz an den Nerven zerrt.
INFORMATION
Mutmaßliche Suizid-Waffe van Goghs wird versteigert
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