Bielefeld

Gregory Porter liefert unwiderstehlichen Auftritt ab

Der US-Sänger und sein Quartett unternahmen einen bewegenden Streifzug durch die schwarze Musikgeschichte

Begeisterte in der Stadthalle: Ex-Footballspieler Gregory Porter. | © Andreas Frücht

Thomas Klingebiel
24.11.2015 | 24.11.2015, 17:44

Bielefeld. Auf der Bühne ein Jazzquintett. Im Saal mehr als 1.800 Zuhörer, die nach jedem Solo enthusiastisch applaudieren. Clubstimmung in der Stadthalle. Der Mann, der dieses seltene Erlebnis am Sonntagabend bescherte, heißt Gregory Porter, 44, Ex-Football-Profi.

Der Sänger-Koloss aus den USA hat den Jazz praktisch im Alleingang aus der Kellerkind-Rolle befreit. Auf den 44-jährigen Ex-Football-Profi können sich weltweit sowohl Kenner als auch Gelegenheitshörer einigen. 2013 schaffte Gregory Porter mit seinem dritten und bislang letzten Album „Liquid Spirit“ den internationalen Durchbruch.

Seitdem ist der Mann mit der markanten Kopfbedeckung praktisch unablässig auf Tour. Auch wenn es praktisch keine neuen Songs gibt – am Sonntag bot er mit „Take Me to the Alley“ einen einzigen bisher unveröffentlichten Titel – strömen die Menschen in seine Konzerte und danken ihm und seiner Band mit Standing Ovations – auch in Bielefeld.

Die Ballade „When Did You Learn“ eröffnet sanft das Konzert, und ein wunderbares Solo von Trompeter Keyon Harrold, der zuvor schon Porters Gesangslinien dezent aufgegriffen und kommentiert hat, verheißt, dass es nicht nur sängerisch ein formidabler Abend werden wird.

Gregory Porters Stimme ist phänomenal, ein voluminöser, bis in sehr schwarze Tiefen reichender Bariton mit enormer Ausdrucksbreite. Eine Stimme, die Erinnerungen an Lou Rawls oder Bill Withers weckt. In „No Love Dying“ etwa oder auch der von reichlich Erkennungsapplaus begrüßten Ballade „Hey Laura“ ist sie das musikalische Äquivalent zu Abrahams Schoß. Man kann sich förmlich in sie fallen lassen, sich gut aufgehoben fühlen. Vielleicht ist das auch ein Stück des Erfolgsgeheimnisses von Gregory Porter, dass dieser singende Zwei-Meter-Mann in unruhigen Zeiten zugleich emotionale Wärme und so etwas wie menschliche Autorität transportiert. Manchmal wirkt er wie ein weiser Prediger, gekommen, die Botschaft von Frieden, Liebe und Verständnis in die Welt zu tragen.

Ein lupenreiner Jazzsänger ist Porter nicht, aber das waren Billie Holiday, Ella Fitzgerald oder Nat King Cole auch nicht. Sein Gesang lädt das musikalische Raffinement des Jazz mit der Energie und dem gesellschaftlichen Anliegen des Soul auf. Manchmal erfolgt dieser Prozess auch in umgekehrter Richtung, wenn Soulklassiker wie „Papa Was a Rolling Stone“ von den Temptations gekonnt in die Jazz-Zone gezogen werden.

Neben Porter stehen erstklassige, flexible Musiker auf der Bühne, die überwiegend auch auf seinen Platten zu hören sind. Pianist Chip Crawford dreht mit imposanten Akkordgebirgen und rasant eingestreuten Off-Harmonien an der Spannungsschraube und erweist sich bei intimen Duo-Einlagen wie „Water under Bridges“ als hochkonzentriert mitatmender Begleiter. Bassist Jahmal Nichols lässt nicht nur bei der funkigen Einleitung zu „Liquid Spirit“ mit effektvoller Inspiriertheit aufhorchen. Schlagzeuger Emanuel Harrold verwandelt den Beat zuweilen in ein erstaunliches, auf das ganze Trommelarsenal verteiltes Schlagmuster, widmet sich aber ebenso innig der gefühlvollen Besenarbeit. Zusammen mit dem grandiosen Trompeter Keyon Harrold, Bruder des Schlagzeugers, erzeugen sie die enorm tragfähige musikalische Thermik für Gregory Porters Ausnahmestimme.

Man ließ sich allzu gern mitnehmen auf diesen Streifzug durch die schwarze Musikgeschichte, von der Hommage an Duke Ellington und Marvin Gaye („On My Way to Harlem“) bis zum aufrüttelnden „1960 What?“. Gern wäre man auch noch etwas länger als anderthalb Stunden mitgegangen.