
Hamburg. Der erste Eindruck: Nena ist tiefenentspannt und wirkt deutlich jünger als ihre 55 Jahre. Das weltbekannte Popidol der Neuen Deutschen Welle in den 80er Jahren hat mit "Oldschool" ihr 18. Studioalbum veröffentlicht und tritt mit ihrer Band am kommenden Samstag im Gerry-Weber-Stadion in Halle auf. Im Gespräch mit Olaf Neumann verrät die Sängerin ihr Anti-Aging-Rezept: "Schönheit kommt von innen und von schönen Gedanken." Sichtlich fit und bester Laune erklärt sie bei Bio-Obst und stillem Mondwasser ihre Welt.
Nena, Ihr aktuelles Album "Oldschool" wurde von dem deutsch-sudanesischen Rapper Samy Deluxe produziert. Bei aller Unterschiedlichkeit - fühlen Sie sich mit Samy Deluxe seelenverwandt?
Nena: Wir haben dieses Album gemacht, ohne darüber viele Worte zu verlieren und ohne uns ein Konzept überlegt zu haben. Wir hatten von Anfang an eine gute Verbindung und sind uns auf der Herz-Ebene begegnet. Näher kennengelernt haben wir uns bei The Voice. Da standen wir mal zusammen auf der Bühne. Wenige Wochen später kam Samy ungefragt mit Songideen, die mich schon beim ersten Hören beflügelt haben. Ab da waren wir praktisch unzertrennlich.
In dem Lied "Bruder" verarbeiten Sie den Tod Ihres ersten Sohnes Christopher, der 1989 im Alter von elf Monaten starb.
Nena: Von alleine wäre ich gar nicht darauf gekommen, das Thema auf diesem Album wieder aufzugreifen wie damals in meinem Song "Wunder geschehn". Ich hatte Samy mal von dem Tod meines ersten Kindes erzählt. Und als wir im Studio waren, bat er mich plötzlich um ein Gespräch unter vier Augen und sagte, er wolle mir etwas vorspielen. Was dann kam, hat mich echt berührt. Er hatte angefangen, einen Song über meinen Sohn zu schreiben und wollte nun von mir wissen, ob ich es respektlos fände, dass er sich da überhaupt herangewagt hat. Er spielte mir die erste Strophe von "Bruder" vor und ich fand das alles andere als respektlos. Mit seinen Worten sprach er mir aus der Seele und konnte sich auch auf dieser Ebene komplett in mich reinfühlen. Vielleicht auch weil er ja selber Vater ist. Ich fand dann die richtigen Worte für die zweite Strophe und so haben wir uns wundervoll ergänzt. Das passierte so selbstverständlich, schöner kann man nicht zusammenarbeiten.
Wenn Sie morgens um sechs aufstehen, geht Samy Deluxe gerade ins Bett. Wie haben Sie da überhaupt zeitlich zusammengefunden?
Nena: Ich habe auch einige Nachtschichten im Studio geschoben, aber mein Leben spielt sich tatsächlich eher tagsüber ab. Und ja, wenn ich ins Bett gehe, steht Samy meistens erst auf. Wir haben es trotzdem irgendwie hingekriegt. Frag? mich nicht wie (lacht). In unserem Song "Sonne Mond" ist das herrlich beschrieben.
In "Oldschool" singen Sie augenzwinkernd darüber, aus einer völlig anderen Zeit zu kommen, aber immer noch cool zu sein. Wie schaffen Sie diesen Spagat?
Nena: Ich finde nicht, dass es ein Spagat ist. Das Oldschool-Gefühl ist für mich ein Ganzheitliches. In dem Wort "Oldschool" steckt ja das Wort "Cool" irgendwo auch drin. Und cool zu sein hat für mich nicht nur was mit äußeren Dingen zu tun. Coolness ist nichts Kurzlebiges. Eher was fürs Leben. Ich bleibe offen für die Menschen, die mir in meinem Leben begegnen und meine Vergangenheit ist mir stets willkommen. Ich schaue gerne zurück, aber ich schwelge nicht in Erinnerungen.
Sie singen ein Duett mit Ihrem ältesten Sohn, Sakias. Wie kam es dazu?
Nena: Ja, Sakias singt mit mir im Duett den Song "Peter Pan". Meine Kinder haben alle ihre eigenen Projekte und an vielen Stellen arbeiten wir zusammen und tauschen uns aus. Als Musiker begegnen wir uns auf Augenhöhe und wenn ich Jobs zu vergeben habe, frage ich immer erst im engsten Kreis.
Und von wem stammt das Zitat "Nena, bitte sei doch mal nicht so berufsjugendlich!" in dem Lied "Berufsjugendlich"?
Nena: Das sind so Dinge, die ich aufschnappe. Schon in den 80ern wunderten sich viele darüber, was mit mir eigentlich los sei. Damals wollte man mir 1.000 Kilo Optimismus auf die Schultern packen. Es hieß, die Nena ist ja immer nur gut drauf. Und das bin ich zum Glück auch meistens. Es ist komisch, dass es Leute gibt, die sich darüber aufregen, dass man gerne lacht.
In "Betonblock" machen Sie sich kritische Gedanken über das Leben in der Großstadt: "Wir leben in einem Block aus Beton und keiner weiß wirklich warum." Was macht das mit uns?
Nena: Ich kenne den Potsdamer Platz noch ohne Beton, die Mauer mal ausgenommen. Jim Rakete hat dort die ersten Fotos von mir gemacht. Damals war es noch ein riesiger, leerer Platz, aus dessen Sand man sich im Schatten des Hansa-Studios und des Tempodroms die eigene Schlösser in den endlos weiten Himmel bauen konnte. Wenn ich heute am Potsdamer Platz stehe, ist es für mich befremdlich. Ich habe nichts gegen Beton an sich, aber dieser Ort fühlt sich für mich nicht natürlich gewachsen an.
Könnten Sie sich dennoch vorstellen, wieder in Berlin zu leben?
Nena: In der Zwischenzeit habe ich den Anschluss an Berlin verpasst, obwohl es immer noch mein zweites Zuhause ist. Irgendwann werde ich mir die Zeit nehmen und für mindestens ein Jahr zurückkommen.
Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Zeit in Berlin und an den legendären Punkclub SO36?
Nena: 1978, in meinem ersten Jahr in Berlin, hab? ich in der Oranienstrasse gewohnt, schräg gegenüber vom SO36. Ich war 18 und verliebt. Und wir gingen oft rüber ins SO, um uns Bands anzugucken. Punk ist auf jeden Fall ein Teil meiner musikalischen Wurzeln. Als ich mit 17 meine erste Band gegründet hab, fingen wir mit Ramones-Songs an, weil wir selber noch nichts Eigenes hatten. Die Ramones waren damals meine Lieblingsband.
Haben Sie die Ramones jemals getroffen?
Nena: Nein, aber ich war neulich zu einem Essen mit Blondie eingeladen. Ihr Schlagzeuger Clem Burke hat auch mal bei den Ramones getrommelt, und wir haben uns darüber unterhalten. Ich war immer ein großer Fan von Blondie und speziell von Debbie Harry. Sie zu treffen war wirklich schön für mich.
Was war so schön?
Nena: Debbie kannte mich sogar. Das passiert mir oft mit Amerikanern. Meine Luftballons werden dort immer noch rauf und runter gespielt und auch von den Simpsons gesungen.
Nena, 29. August, 19 Uhr, Gerry-Weber-Stadion Halle. Karten gibt's bei www.erwin-event.de oder unter Telefon (0521) 555-444.
Zur Person
- Nena (Gabriele Susanne Kerner) stammt aus Hagen.
- Der Megahit „99 Luftballons“ machte sie 1983 international bekannt.
- 1987 löste sich die Band „Nena“ auf. Nena machte als Solokünstlerin weiter, konnte aber nicht an die früheren Erfolge anknüpfen.
- 2002 feierte sie mit neuen Versionen der alten Hits ein Comeback.
- Nena ist vierfache Mutter und bereits dreifache Großmutter.
- 2007 initiierte sie in Hamburg-Rahstedt die freie Alternativschule „Neue Schule Hamburg“ mit.