Hamburg. Ganz gleich, ob auf der Bühne oder vor der Kamera: Schauspieler verkörpern in der Regel viel lieber den Schurken als den strahlenden Helden. Es sind die Zwischentöne, die sie reizen, die Grauzonen; und natürlich die Abgründe, die man im wirklichen Dasein nicht ungestraft ausleben kann. Die besten Bösewichter sind meistens Menschen, die man eigentlich ganz sympathisch findet; und deshalb ist Uwe Bohm einer der gefragtesten Schurkendarsteller im deutschen Fernsehen.
Zu Beginn des Jahres spielte der Hamburger gleich an zwei Sonntagen hintereinander einen Verdächtigen: erst in einem "Tatort" vom Bodensee, "Château Mort", dann in einem Krimi aus Leipzig ("Blutschuld"). Das sorgte in den sozialen Netzwerken ein bisschen für Häme, weil es natürlich etwas einfallslos wirkte. Aus Sicht der ARD war die doppelte Besetzung ein unglücklicher Zufall, aber gerade im Sommer vergeht angesichts der vielen Wiederholungen vermutlich keine Woche, an dem Bohm nicht in einer der vielen Krimireihen eine Gastrolle spielt.
Allein im "Tatort" taucht er mindestens einmal pro Jahr auf. In den verschiedenen "Soko"-Serien des ZDF wirkt er ebenfalls regelmäßig mit. Aktuell ist Uwe Bohm in dem Kinofilm "Freistatt" zu sehen, einem bedrückenden Drama über die Heimerziehung in den 60er Jahren. Freistatt war und ist eine Einrichtung der von-Bodelschwinghschen-Anstalten Bethel. Bohm spielt einen brutalen Stiefvater, der dafür sorgt, dass der Sohn seiner Frau in einem Heim verschwindet.
Anders als üblich verzichtet er in dieser Rolle auf jeden Charme; der Mann ist ein cholerischer Gewalttäter. Ansonsten aber gelingt es Bohm immer wieder, seine Schurken mitunter fast liebenswert zu verkörpern, etwa den Zuhälter in den beiden "Hafenpastor"-Filmen mit Jan Fedder (ARD). Zweifelsfreie Sympathieträger aber darf er selten spielen. Das war allerdings schon immer so.
Sein Filmdebüt gab Bohm, damals noch unter seinem Geburtsnamen Enkelmann, 1976 in einem Jugenddrama des Hamburger Regisseurs und Filmprofessors Hark Bohm, der ihn später adoptierte. Das Werk hieß "Nordsee ist Mordsee", Uwe war damals 14 Jahre alt und wurde schlagartig bekannt. Die Rolle des Jungen, der unter schwierigsten Bedingungen aufwächst, kannte er gut; ihm selbst war es bis dahin nicht viel anders gegangen. Auch deshalb werden die Dreharbeiten zu "Freistatt" gemischte Gefühle in ihm geweckt haben: Den deutschen Heimalltag hat er als Kind selbst erlebt. Bohms Biografie ist also eine Art "Aschenputtel"-Geschichte.
Nazis, Karrieristen, korrupte Beamte, betrügerische Unternehmer: Bohm ist auf den Bösewicht abgestempelt. Nur hin und wieder spielt er ganz normale nette Nachbarn; und noch seltener Menschen, die unverschuldet am Pranger landen.
Wie viele seiner Kollegen, die im Fernsehen auf einen bestimmten Rollentypus festgelegt werden, kann Uwe Bohm nur auf der Bühne zeigen, wie gut er tatsächlich ist. Nicht nur deshalb ist er dem Theater immer treu geblieben: Es war seine erste große Liebe. Trotz des frühen Erfolgs mit "Nordsee ist Mordsee" absolvierte er erst mal eine Lehre als Maler und Lackierer; es folgte eine Ausbildung zum Theatermaler. Allerdings dauerte es nicht lange, bis er selbst auf der Bühne stand.
Peter Zadek, der am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg einige Jahre zuvor schon Eva Mattes zum Theaterstar gemacht hatte, wurde Mitte der 80er zu seinem großem Förderer; das Musical "Andi" war 1987 Bohms Bühnendurchbruch. 2004 führte die Titelrolle in "Peer Gynt" die beiden am Berliner Ensemble wieder zusammen. Der Draufgänger von einst ist längst erwachsen geworden, aber eine gewisse jugendliche Unbekümmertheit zeichnet Bohm immer noch aus; die Rolle des charmanten Schurken wird er vermutlich bis ins Alter nicht mehr los.
Uwe Bohms frühe Filme
Auf "Nordsee ist Mordsee" im Jahr 1976 folgten noch einige weitere Filme Uwe Bohms mit seinem Adoptivvater.Darunter auch "Yasemin" (1988). Für diese deutsch-türkische "Romeo und Julia"-Variante bekam er den Bayerischen Filmpreis; nun hatte er sich endgültig auch als erwachsener Schauspieler etabliert.
Seither hat er in weit über hundert Filmen und Serienfolgen mitgewirkt, liebenswerte Zeitgenossen sind seine Figuren so gut wie nie.