Paderborn. Aus sechs machzwei: Die Videotheken in Paderborn wurden in den letzten Jahren arg dezimiert. Besonders die Gratismentalität im Internet lockt potentielle Kunden zunehmend vor den Computer-Bildschirm und führt bei Händlern vor Ort zu rückläufigen Umsätzen und Firmenpleiten. In der Movievision-Filiale sitzen die letzten Paderborner Video-Mohikaner – und sie kämpfen.
"Natürlich sind wir in unruhigem Fahrwasser", gibt Sven Meisel zu. Der Einkaufsleiter der B+E Videothekenbetriebs-GmbH, Verwalter von über 60 eigenen Niederlassungen, hat beruflich schon einfachere Zeiten erlebt. 8.945 Kunden kamen im Dezember 2012 in die Paderborner Filiale am Frankfurter Weg. Fünf Jahre zuvor lag die Zahl noch bei 13.449 – ein Rückgang von satten 30 Prozent. Nicht unüblich in einer gebeutelten Branche, dessen Hochzeit 30 Jahre zurückliegt. Mit der Schließung der Alfa-Filiale an der Detmolder Straße im Sommer 2012 hat der Niedergang der heimischen Videotheken einen vorläufigen Höhepunkt erreicht: Nur noch zwei Niederlassungen sind vor Ort aktiv, darunter mit Technovideo24 eine reine Automaten-Videothek. Das bedeutet immerhin ein Alleinstellungsmerkmal für Movievision, erklärt Sven Meisel: "Bei uns gibt es noch persönlichen Service, das loben die Interessenten oft."
In Paderborn ist Martina Heidt für den heißen Draht zum Kunden zuständig, "seit zehn Jahren bin ich schon dabei", sagt die Filialleiterin, die den Verleih auf rund 300 Quadratmeter Ladenfläche organisiert. DVDs, Videospiele und Erotik bietet Movievision an, und jedes Segment hat sich stark gewandelt: "Der Erotikmarkt ist beispielsweise komplett weggebrochen", sagt Meisel. "Die Kundschaft wandert ins Internet ab, wo das Angebot riesig ist - und umsonst." Das Geschäft mit den Videospielen läuft indes gut, Meisel freut sich über "hohe Wachstumsraten, die woanders manchen Verlust auffangen". Einbußen mussten die Paderborner hingegen beim regulären DVD-Geschäft hinnehmen.
Auf den ersten Blick scheint klar: Downloads im Internet sind schuld. Gerade die nachwachsende Kundengeneration bedient sich freimütig bei legalen und illegalen Online-Anbietern, so die landläufige Meinung. Über mangelnde Nachfrage kann sich die Filmbranche schließlich nicht beklagen – nur die Zahlungsmoral lässt zu wünschen übrig. Während Video-on-Demand-Portale wie Maxdome, wo Nutzer im Internet gegen Gebühr Filme und Fernsehserien anschauen können, alleine im ersten Halbjahr 2012 ein Umsatzplus von 41 Prozent verzeichneten, sank die bundesweite Zahl an Videotheken zwischen 2007 und 2011 von über 4.000 auf unter 2.500 – Boom und Niedergang im direkten Vergleich.
Auf den zweiten Blick ist die Lage aber etwas komplexer. Das World Wide Web als universales Feindbild reicht nicht, um die tiefroten Zahlen vieler Videotheken zu erklären: "Die Filmstudios helfen uns nicht gerade", formuliert Meisel vorsichtig. Mit dem so genannten ,Minusfenster hätten die Produzenten zuletzt eine Idee umgesetzt, die den Videotheken stark zusetzt: "Filme kommen zunächst in den Verkauf und erst Wochen später in den Verleih – früher war das andersherum." Die vertikale Integration, also die zentrale Steuerung von Produktion und Distribution, treibe Hollywood derzeit massiv voran. Das Ziel: Die Mittelsmänner – darunter die stationären Videotheken – überflüssig machen und den Film selbst zum Endverbraucher liefern. "Am besten online, per Mausklick,", so Meisel. Einfach, schnell, für die Hersteller ungemein rentabel – und ein Schreckensszenario für Movievision.
"Schwarz sehe ich für uns aber nicht", stellt Meisel klar. Nicht ohne Grund schlage sich die Paderborner Filiale trotz hohem Druck von allen Seiten noch wacker: "Kurze Mietverträge, Sonderrabatte, Investitionen in die Produktpalette auch in schlechten Zeiten" – so trotzt Movievision dem Abwärtstrend. Die Marktbereinigung werde zwar weitergehen – "aber wir sind gerüstet."