Paderborn. Ein Altenheim, das Drogen verabreicht, um in die Jahre gekommene Suchtkranke von der Beschaffungskriminalität zu befreien – so stellt sich Prof. Dr. Horst Bossong, Experte für Sozialverwaltung im Bereich Drogenhilfe, den zukünftigen Umgang mit Abhängigen vor. "Die Menschen haben einen würdevollen Lebensabend verdient. Durch legale Drogenabgaben würden sie strafrechtlich nicht mehr auffällig werden müssen, um ihre Sucht zu befriedigen und könnten in Ruhe und Frieden alt werden", sagt Bossong.
Unter dem Motto "Mensch.Sucht.Würde." wurde gestern das 25-jährige Bestehen in der Hilfseinrichtung B2.Streetwork gefeiert. Zu diesem Anlass hielt Bossong von der Universität Duisburg-Essen, einen Vortrag zum Thema "Stillstand in der Drogenhilfe?" Er zog dabei eine bundesweite Bilanz über die Ergebnisse, Erfolge und Schwächen der Drogenarbeit in den letzten Jahrzehnten. Nach einer Zeit mit stetig neuen Höchstzahlen von Drogentoten habe dabei ein Umbruch in der Sozialarbeit stattgefunden. Trotz des Ausbaus von therapeutischen sowie lebenssichernden Hilfsangeboten sei eine Erfolgsbilanz für den Nutzen drogenpolitischer Maßnahmen schwer zu ziehen. Die Versuche, dies durch statistische Dokumentationen zu überprüfen, seien seiner Meinung nach wenig aussagekräftig und zur weiteren Problemlösung ungeeignet. "Die Statistiken verdecken die Ungereimtheiten der Drogenpolitik. Damit sollen Erfolge bewiesen werden, die den Zuschuss durch öffentliche Gelder rechtfertigen." Bossong macht darauf aufmerksam, dass die Drogenhilfe durch diese finanzielle Abhängigkeit ständig bedroht sei.
Im Gegensatz zu einem marktwirtschaftlich orientiertem Unternehmen könne der Erfolg aber nicht durch die Zufriedenheit der Kunden bestimmt werden. Die Erfolgsbilanz im Drogenbereich spalte sich durch konfliktbelastete Ansprüche. Eine realistische Kosten-Nutzen-Rechnung würde zu einem Zusammenbruch des System führen. "Die Interessen der Allgemeinheit und der drogenabhängigen Klienten lassen sich nicht in Einklang bringen."
Auf der einen Seite bestehe das allgemeine Bedürfnis nach Schutz vor Kriminalität, auf der anderen Seite braucht der Abhängige Drogen und begebe sich dadurch zwangsläufig in die Kriminalität. Deshalb würde sich Bossong als langfristige Perspektive wünschen, dass den Abhängigen zumindest der Druck durch die Kriminalisierung ihrer Handlungen, mit denen sie sich nur selbst schaden, genommen werde. "Das heißt nicht, dass die Abhängigen für ihr Tun nicht gerade stehen müssen", erklärt Bossong.
Vor allem zur Unterstützung älterer Suchtkranker setzt sich Bossong für legale Drogenverschreibungen ein. Der Experte versteht den Stillstand solcher Maßnahmen nicht. "Über Jahre hinweg wurde die legale Verabreichung von Heroin und Methadon wissenschaftlich und erfolgreich erprobt. Trotzdem kommt sie kaum jemandem zugute. Das ist eine bürokratische Geldvernichtung, die man nicht rechtfertigen kann."
Abschließend rät der Experte in der zukünftigen Drogenpolitik realistische Ziele anzustreben, bestehende Maßnahmen zu verbessern und mit neuen Wegen zu experimentieren. Das ist auch im Sinne der Paderborner Streetworker. Für ihren jahrelangen Einsatz hat auch der Landrat Manfred Müller nur lobende Worte: "Die Sucht ist unersättlich und frisst am liebsten das Glück.
Trotzdem konnte in 25 Jahren Streetwork das Glück zumindest in Ansätzen möglich gemacht werden." Die Einrichtung sei ein Türöffner für neue Perspektiven und dem Einsatz der Streetworker sei es zu verdanken, dass die Drogenabhängigen nicht an den absuluten Rand der Gesellschaft gedrängt wurden, sondern immer noch Chancen haben.