PADERBORN

"Jede Begegnung ist faszinierend"

Interview: Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Nobert Otto Eke über Autorenlesungen und den Buchmarkt

11.12.2010 | 11.12.2010, 00:00
Der Wissenschaftler Prof. Dr. Norbert Otto Eke leitet seit fünf Jahren die Reihe "Literatur der Gegenwart" an der Universität. - © FOTO: MARC KÖPPELMANN
Der Wissenschaftler Prof. Dr. Norbert Otto Eke leitet seit fünf Jahren die Reihe "Literatur der Gegenwart" an der Universität. | © FOTO: MARC KÖPPELMANN

Paderborn. Seit fünf Jahren organisiert der Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Norbert Otto Eke die Lesereihe "Literatur der Gegenwart" an der Universität. Über anspruchsvolle Bücher, Autoren und den Literaturbetrieb sprach mit ihm NW-Mitarbeiter Ralf Mischer.

Herr Prof. Eke, in der aktuellen Bestsellerliste tauchen Werke von Ken Follet, Cordula Stratmann, John Le Carré und Cornelia Funke auf. Wo bleibt der literarische Anspruch? Ist dem deutschen Lesepublikum endgültig der gute Geschmack abhanden gekommen?
NORBERT OTTO EKE: Sich unterhalten zu lassen, ist zunächst einmal ein ganz legitimes Bedürfnis der Leser, dem die Literatur immer schon nachgekommen ist. Nicht immer zur Freude der professionellen Leser. Aber Unterhaltung ist nicht gleich Unterhaltung, und gute Literatur ist nicht immer gleich anstrengende Literatur – genauso wenig wie umgekehrt "anstrengende Literatur" automatisch "hohe" Literatur ist. Das heißt: In jedem Fall gibt es "Meisterschaft". Dass die Literatur, mit der wir uns in unserer Reihe befassen, selten auf den Bestsellerlisten zu finden ist, hat mit Berührungsängsten aber vor allen Dingen mit Marketing- und Vertriebsstrategien der Verlage zu tun – weniger dagegen mit schwerer Zugänglichkeit der Werke.

Wo würden Sie die Trennlinie zwischen anspruchsvoller und trivialer Literatur ziehen?
EKE: Massenware verwendet Stereotype und Klischees; sie bedient Erwartungshaltungen und bietet keine Überraschungen; vor allem arbeitet sie nicht produktiv mit Sprache und nutzt damit nicht die Möglichkeiten des Mediums. Literatur, die meines Erachtens interessant ist, durchbricht Sehgewohnheiten; sie bringt die Dinge immer wieder neu ins Spiel, auf noch nicht oder nicht mehr gesehene Weise. Außerdem bringt sie mich als Leser immer wieder dazu, meinen eigenen Standpunkt in Frage zu stellen, den Dingen nachzudenken. Und natürlich soll sie mich auch verzaubern, unterhalten und damit das erreichen, was man in alten Poetiken mit dem Begriff "erfreuen" bezeichnet hat.

Welche Rolle spielen eigentlich Werbung und Marketing im Buchmarkt?
EKE: Sie spielen eine ungeheure Rolle. Verlage haben meistens zwei bis drei Bücher pro Saison, für die sie sich besonders einsetzen. Das ist keine Garantie für Erfolg, aber wenn die Werbemaschinerie einmal angelaufen ist, ist erst einmal die Öffentlichkeit hergestellt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein derart "betreuter" Roman behaupten kann, ist allemal größer als bei einem weniger oder gar nicht beworbenen Werk, das womöglich in einem kleinen Verlag erscheint, der kein Marketing betreibt. Verlage kalkulieren den Markt ganz genau.