Paderborn. Rote Bäckchen, ein hübsches Kleid, Geschick an der Nähnadel und am Kochtopf, ein paar Grundkenntnisse im Rechnen, Schreiben und Lesen, für den Einkaufszettel und das Gesangbuch in der Kirche - mehr erwarteten die Paderborner Männer nicht von ihren Damen in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Da musste erst eine engagierte Frau kommen, um diesem Zustand ein Ende zu machen. Johanna Pelizaeus gründete ihre "Katholische höhere Töchterschule". So schrecklich lange ist das noch gar nicht her: 150 Jahre. Doch in dieser Zeit hat sich eine Menge getan. Aus der kleinen Mädchen-Schule ist das größte Gymnasium im Regierungsbezirk Detmold geworden, mit 1.500 Schülern, Mädchen und Jungen. Der 150. Geburtstag wird jetzt am Pelle natürlich gebührend gefeiert, drei Tage lang vom 1. bis 3. Oktober.
Zur Ehrenrettung der Männer soll nicht verschwiegen werden, dass die Paderborner Geistlichkeit die Gründung der Schule im Jahr 1859 nicht nur gebilligt, sondern sogar angeregt hat. Grund war, dass das St. Michaelskloster Mädchen nur bis zum 14. Lebensjahr ausbildete und es sonst keine weitere katholische Bildungseinrichtung für Mädchen gab. Nach dieser Initialzündung lehnten sich die Herren zurück und überließen Johanna Pelizaeus die Arbeit. In einer Mietwohnung am Kamp nahm sie noch im gleichen Jahr den Schulbetrieb auf.
Die Eltern mussten erst mal vom Sinn einer höheren Mädchenbildung nach Abschluss der Pflichtschulzeit überzeugt werden. So wies Johanna Pelizaeus in ihrem Schulprogramm (mit zwei Fremdsprachen) vorsichtshalber darauf hin, dass auch auf die religiöse und hauswirtschaftliche Erziehung Wert gelegt werde. Offenbar überzeugende Argumente: Schon zwei Jahre später musste die Schule in ein größeres Gebäude am Stadelhof umziehen.
Die Altersbeschränkung wurde Zug um Zug gesenkt und seit 1877 umfasste die Schule komplett alle Jahrgänge der 6- bis 16-jährigen Mädchen und trat damit endgültig in Konkurrenz zur Schule des Michaels-Klosters. Von 1909 bis 1929 wurde der Westphalenhof an der Giersstraße zur Heimat für das "Katholische Lyzeum und Oberlyzeum Pelizaeus". 1929 kam die bis dahin privat geführte Schule in staatliche Trägerschaft und zog um an ihren heutigen Standort in das markante rote Backsteingebäude am Gierswall.
Warum die Nazis keine Freude mit der Schule hatten
Die Nazis hatten wenig Freude mit dem Pelizaeus. Trotz der Zwangsversetzung mehrerer Schulleiterinnen und dem Einsatz eines regimetreuen Leiters konnten sie den Geist der Schule in Kollegium und Schülerschaft nicht brechen, der den Nationalsozialisten immer sehr distanziert gegenüberstand. Nach Ende des Krieges und dem Wiederaufbau folgte eine Zeit vieler Reformen. Vor allem im Jahr 1974, als die Stadt Paderborn vom Staat die Trägerschaft der Schule übernahm und zum ersten Mal in der Schulgeschichte auch Jungen auf den Bänken des Pelizaeus Platz nehmen durften.
Der Aufbruch des Pelizaeus in moderne, weltoffene Zeiten war nicht mehr zu stoppen. An die Ursprünge als Höhere Töchterschule erinnert heute bestenfalls noch der relativ hohe Mädchenanteil (60 Prozent) am Pelizaeus-Gymnasium. Neben dem durchaus noch vorhandenen Kochtopf (Hauswirtschaft) steht heute der Computer. Roboter werden gebaut, das Internet ist die internationale Spielwiese. Die schönen Künste kommen nicht zu kurz. Neben mehreren Schulbands und -chören gibt es Tanz, Varieté und Artistik. Kontakte bestehen mit Schulen in Frankreich, Polen, Russland und Ghana (Afrika).
Wofür man 6 Euro investieren sollte
Leben, Treiben und Angebote solch einer Riesen-Schule können hier gar nicht komplett vorgestellt werden. Besonders nicht in solch hektischen Reform-Zeiten, wo nicht einmal die Lehrer wissen, was morgen auf sie zukommen wird. Zu seinem schulischen Angebot hält das Pelizaeus einige Informationshefte bereit. Sehr informativ und gut gelungen ist auch die Festschrift zum Jubiläum. Die 6 Euro dafür sind gut angelegt.
Aber am besten ist wahrscheinlich, man geht mal hin - zum großen Grillfest auf dem Schulhof mit Livemusik und Ausstellungen am Freitag und zum Treffen von weit über 1.500 Ehemaligen am Samstag - und macht sich selber einen Eindruck davon, welcher Geist heute so am Pelle weht.