
Paderborn. An sein Studentenleben denkt Hans-Joachim Watzke noch immer gerne zurück. Viele Freunde hatte er zu Beginn der achtziger Jahre in Paderborn gefunden, Stammkneipen entdeckt, nicht zuletzt auch zielstrebig seinen Abschluss als Diplom-Kaufmann verfolgt. Am Dienstag nun kehrte er an seine alte Universität zurück – und stand fast drei Jahrzehnte nach seiner letzten Vorlesung plötzlich auf der anderen Seite des Rednerpults.
Hans-Joachim Watzke hat das geschafft, wovon viele seiner studentischen Zuhörer derzeit allenfalls träumen können. Er hat die Paderstadt als Tor zur Wirtschafts-Welt genutzt: Akademiker, Unternehmensgründer, Firmenchef.
- Hans Joachim Watzke wird am 21. Juni 1959 im sauerländischen Marsberg geboren.
- 1979 beginnt er sein Studium der Wirtschaftswissenschaften in Paderborn.
- Anfangs pendelt er noch zur Uni, dann zieht er mit seiner späteren Frau Annette in die Friedrich-von-Spee-Straße.
- Im Jahr 1984 schließt Watzke sein Studium als Diplom-Kaufmann ab.
- Sechs Jahre später, im Jahr 1990, gründet er die Watex-Schutzbekleidungs GmbH und wird deren Geschäftsführer.
- Ab 2001 ist er als Schatzmeister bei Borussia Dortmund tätig, 2005 bestellt ihn der Verein zum Geschäftsführer.
- Allen Erfolgen zum Trotz hat Watzke seine zwischenzeitliche Heimat nie vergessen: "Was der SCP geschafft hat, ist bemerkenswert."
Und seit 2005 auch Geschäftsführer von Borussia Dortmund. Jenem Verein, der die Vormachtstellung des FC Bayern im deutschen Fußball zwei Jahre lang vor eine harte Probe stellte – und der sich mit einem Sieg im Champions-League-Finale Ende Mai eine weitere Krone aufsetzen könnte.
Es ist vor allem diese Rolle des Fußballfunktionärs, die das Publikum in Massen zur Universität lockt. Und das, obwohl Watzke eigentlich als Gastredner in der Vortragsreihe "Wirtschaftswissenschaftliches Denken und Handeln" angetreten ist.
Die rund 680 Paderborner im Audimax der Universität scheint das nicht zu stören, lieber vermitteln sie das Ambiente einer Fankurve mit schwarz-gelben Farbtupfern. Auch das ein oder andere Bayern-Trikot hat sich in die Reihen gemischt, offenbar als Provokation.
Watzke selbst lässt sich davon keineswegs irritieren. Wohl auch, weil ihm in Paderborn ein äußerst warmer Empfang bereitet wird. Die Fakultät der Wirtschaftswissenschaften begrüßt ihn als Vertreter eines Vereins, "der derzeit den schönsten Fußball in Deutschland zeigt", was die Menge mit Applaus honoriert. Dass der heute so erfolgreiche BVB noch vor wenigen Jahren kurz vor der Insolvenz und damit vor dem sportlichen Ende stand, möchte keiner der Anwesenden wirklich wahr haben.
Bis auf einen. Hans-Joachim Watzke selbst ist es, der seine Zuhörer an die schweren Zeiten seines Amtsantritts beim Revierklub erinnert.
"Im Jahr 2005", so sagt er, "hatten wir nichts. Nicht einmal unsere Selbstständigkeit." Es ist der Ausgangspunkt, nicht nur des eigenen Erfolgs, sondern auch seines Referats zum Thema "Identität, Philosophie und Strategie des BVB".
Diese nämlich, so sagt Watzke, sei erst durch die damalige Krise so richtig erschaffen worden. Man habe gespart, die Schuldenpolitik gestoppt, Gläubiger beschwichtigt, eine neue Prämisse aufgestellt. "Wir wollten den größtmöglichen Erfolg, ohne einen Euro Schulden zu machen", sagt Watzke. Noch heute stehe der Satz in Stein gemeißelt über dem Verein.
Passend dazu wurde eine kostengünstige Mannschaft zusammengestellt, die das Prädikat Leidenschaft geradezu lebt. Hummels und Schmelzer wurden geholt, dazu mit Jürgen Klopp der passende Trainer verpflichtet. Flache Hierarchien und Kollektivgedanken, so Watzke, hätten dadurch Einzug gehalten. "Wir sind Fußball statt Mia san mia" – einer von vielen Seitenhieben auf die Konkurrenz. Ebenso wie sein Ziel, bis 2020 einen "zweiten Leuchtturm" in Fußballdeutschland errichtet zu haben.
Sichtlich genießt Watzke sein Ansehen im Auditorium, stellt seinen BVB als Idealbild hin und lässt keinen Zweifel an den eigenen Verdiensten. "Was andere Vereine machen, ist mir egal", betont er selbstbewusst, "wir gehen unseren Weg."
Und dieser Weg sieht so aus: Innovativ in der Klubführung, intensiv in Emotionen und Erlebnissen, vor allem aber authentisch. "Bei uns ist einfach alles echt. Das macht uns aus."
Impulse für die Studenten bleiben beim Referat im Ansatz stecken, was aber niemanden wirklich stört. Sie wollen den Hans-Joachim Watzke, der sich ihnen offenbart: ein Funktionär, der den deutschen Fußball zwar nicht vollends revolutioniert hat, aber vom Selbstverständnis her zumindest kurz davor steht. Der Erfolg gibt ihm Recht.