PADERBORN

Ein Rind im Hundeformat

Die Paderbornerin Stephanie Thebille züchtet die kleinste Rinderrasse Europas

Die elfjährige Dexter-Kuh Gretchen ist es gewohnt, sich zusammen mit Halterin Stephanie Thebille zur Schau zu stellen. Kälbchen Sarah ist erst eine Woche alt und muss sich daran noch gewöhnen. | © FOTO: ANNIKA FALK

15.09.2012 | 16.09.2012, 13:41

Paderborn. Andere kümmerten sich um Pferde, Hunde oder Katzen. Stephanie Thebille fing mit Anfang 20 an, Rinder zu züchten. Die Studentin der Veterinärmedizin war damals eine Exotin – auch elf Jahre später ist sie in Ostwestfalen-Lippe die einzige Züchterin von Dextern, der kleinsten Rinderrasse Europas.

Als ein Freund Stephanie Thebille vor elf Jahren von einer Schau in England erzählte und ihr von den Rindern im Hundeformat vorschwärmte, besuchte die Paderbornerin prompt einige Züchter in Deutschland. "Ich habe sie gesehen und mein Herz verschenkt", erinnert sich die Tierärztin, die sich auch beruflich auf Großtiere spezialisiert hat. "Dexter sind Charaktertiere, haben ihren eigenen Kopf, das liebe ich an ihnen."

Ihre Hobby-Zucht begann sie mit einer kleinen Rinderfamilie: eine Kuh, ein Bulle und zwei Kälber. Mittlerweile ist ihre Herde auf zehn erwachsene Tiere und aktuell zwei Kälbchen angewachsen. "Im Oktober erwarte ich noch ein weiteres Kälbchen", sagt die 31-Jährige. Stephanie Thebille ist auf einem Bauernhof mit Rinderhaltung aufgewachsen. Mittlerweile ist der elterliche Hof verpachtet, die Tochter verdient ihr Geld als Tierärztin. Doch um die Flächen rund um den Hof im Dörener Holz zu nutzen, hält sie die Dexter, die eine Maximal-Größe von 111 Zentimetern erreichen. Nur in Südafrika gibt es eine kleinere Rasse.

Information

Ursprünge in Irland

Die Dexter-Rasse stammt ursprünglich aus Irland. Agrarhistoriker sagen, der Name komme von einem Herrn Dexter, der als Verwalter der Ländereien auf Valentia Island immer die kleinsten Kerry-Rinder aussuchte und daraus eine neue Rasse züchtete. Offiziell genannt wurde sie 1776, anerkannt erst 1876. Im Laufe der Jahre stieg die Popularität in England, in Irland sind kaum noch Dexter zu finden. 1892 wurden dann die ersten Rinder nach Südafrika, Nord- und Südamerika, Indien und Australien exportiert.

Eine Besonderheit: Bei Dextern wurde weltweit bisher kein einziger BSE-Fall registriert, was vorwiegend auf die einfache und natürliche Haltung und Fütterung zurückzuführen ist. Nach Deutschland kamen die ersten Tiere erst 1970. (faa)

"Wegen ihres geringen Gewichts sorgen die Dexter für weniger Trittschäden, werden am Deich, in sumpfigem Gebiet, oft in der Landschaftspflege, aber auch in den Bergen gehalten", so Thebille.
Auch über die Historie der Rinder ist sie bestens informiert: "Sie stammen aus Irland, dort waren die Männer früher im Stollen, die Dexter wurden oft im Hinterhof gehalten, mit Resten gefüttert und konnten auch von Frauen und Kindern betreut werden, weil sie kleiner und leichter waren." Das genügsame Tier sorgte für Milch, Butter, Käse, Fleisch und natürlich den Dung für den Kartoffel-, Getreide- und Gemüseacker.

Nachdem es in den 1960er Jahren beinahe ausgestorben war, haben Hobby-Landwirte das ehemalige Hausrind der Kleinbauernfamilie wieder für sich entdeckt. Nach wie vor sind Dexter Liebhaber-Tiere. "Im Schnitt haben die Züchter vier Tiere", weiß die Schriftführerin des Bundesrasseverbandes Deutscher Dexter-Züchter und -Halter.

Ein bisschen verdient sich Stephanie Thebille durch den Verkauf von Zuchttieren und Fleisch, das sie direkt vom Hof vermarktet. "Es ist sehr zart, fein und exquisit", so die Züchterin. "Und es wird sogar für das Premium-Beef-Verfahren, einem Gütesiegel englischer Spitzenköche, verwendet."

Doch die Zucht will sie beim Hobby belassen – auch wenn sie einen gewissen Ehrgeiz entwickelt. Thebille züchtet den ursprünglichen Typ "nach englischem Herdbuch", bei dem die Reinrassigkeit der Elterntiere nachgewiesen werden muss. Die Samen für den Nachwuchs lässt sie aus England von Elite-Bullen einfliegen. Regelmäßig besucht sie Dexter-Schauen auf der Insel. Und bei den heimischen Rinderschauen oder beim Tag der Landwirtschaft sorgt sie zurecht immer wieder für Aufsehen mit ihren kleinen Charaktertieren.