PADERBORN

"Schule ist ein Privileg"

Von einem, der als Kind kein Wort Deutsch sprach und der doch Karriere machte

Rahman Jamal (Mitte) bei einem Rundgang durch Paderborn mit seiner Mutter Farida und seinem Vater Sadrudin. Als ehemaliger Paderborner hält der Münchener regelmäßig Kontakt in die alte Heimat. | © FOTO: HANS-HERMANN IGGES

30.09.2011 | 30.09.2011, 12:00

Paderborn. Als er mit zehn Jahren nach Paderborn kam, sprach er kein Wort Deutsch. Aber er hatte ein Startkapital, von dem er heute sagt, dass es das wichtigste in seinem Leben war: Seine Eltern. Und ihren Willen, in der neuen Umgebung auf jeden Fall zurecht zu kommen.

Heute ist Rahman Jamal (46) als Prokurist, Technischer Direktor und Marketingleiter einer der leitenden Köpfe der internationalen Software-Schmiede "National Instruments", zuständig für die Geschäfte in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. 5.800 Mitarbeiter hat die Firma weltweit, am Standort München , wo der gebürtige Paderborner arbeitet, sind es 200.

"Als wir aus Burma nach Deutschland kamen, gab es das heute viel diskutierte Wort Integration eigentlich noch gar nicht," sagt Rahman Jamal. Aber genau das ist aus den Jamals in Deutschland geworden: Eine voll integrierte Migrantenfamilie. "Vorzeige-Migranten" wie das der gebürtige Burmese, ehemalige Paderborner und heute Münchener Jamal mit Selbstironie gerne nennt.

Regelmäßig schaut Rahman bei seinen Eltern in Schloß Neuhaus vorbei, geht zu Klassentreffen an seiner alten Schule, dem Pelizaeus Gymnasium, wo er 1984 Abitur machte, oder reist zum Beispiel als Juror für den Roboter-Wettbewerb "First Lego League" an. Der findet regelmäßig im Heinz Nixdorf Museumsforum, mit erfolgreicher Beteiligung aus Paderborn vor allem von heutigen Pelizaeus-Schülern – wie NW-Leser wissen. Die Software der Selbstbau-Roboter stammt von National Instruments.

"Meine Eltern haben damals auf vieles verzichtet, damit meine Geschwister und ich lernen konnten", erinnert sich Rahman Jamal. "Meine Mutter war immer für meine beiden Schwestern und mich da, wenn wir Probleme mit den Schulaufgaben hatten," fügt er hinzu und meint im Rückblick: "Zur Schule gehen zu dürfen, war für mich immer ein Privileg." Vater Sadrudin verdingte sich in diversen Jobs zum Geldverdienen. Allerdings, zu seinem Leidwesen, nicht in seinem eigentlichen Beruf. In Burma war er nämlich Journalist gewesen, berichtete zuletzt als Korrespondent von der chinesischen Grenze Doch die seit mehr als 40 Jahren andauernden Diktatur der Generäle, die das Land 1989 in Myanmar umbenannten, machte ihm ein freies Arbeiten unmöglich.

Nach des Vaters und seiner gut ismailitischen Devise "wo immer wir sind, da sind wir" wuchs Rahman in Paderborn so auf wie viele andere Paderborner: Dienstags ging er zum Handball und donnerstags zur Freiwilligen Feuerwehr Schloß Neuhaus. Und auch als in Schloß Neuhaus die heutige Volkssternwarte gebaut wurde, war er mit von der Partie. Rahman akzeptierte seine Umwelt – und wurde akzeptiert.

"Dass unsere Religionszugehörigkeit als Muslime für die Integration in Paderborn kein Problem war, erklärt sich wahrscheinlich mit der Situation in Burma," sagt Vater Sadrudin Jamal. Dort sei es selbstverständlich, dass Nachbarn verschiedenen Religionen angehören. Da passt ins Bild, dass Rahmans Mutter Farida als Muslima in Schloß Neuhaus gern auch zum christlichen Bibelkreis geht. "Warum auch nicht?" sagt sie und weist darauf hin, dass Jesus schließlich auch für Moslems ein geachteter Prophet ist.

Als in Paderborn sozialisierter gebürtiger Burmese hat Rahman Jamal in einer international agierenden Firma wie National Instruments offenbar einen Arbeitgeber gefunden, der zu ihm passt. "Als Migrant sollte man durchaus seine mitgebrachten Eigenheiten pflegen, das ist durchaus nützlich", meint Jamal.

Dass es ihn dabei beruflich nach München verschlagen hat, ist aber eher Zufall. Die ersten Erfahrungen bei dem Software-Riesen machte Jamal in dessen texanischer Zentrale. "Ich wäre auch in den USA geblieben", sagt er. Dafür ist inzwischen seine jüngere Schwester Hamida in den Vereinigten Staaten. Sie arbeitet als Grafik-Designerin. Nur die zweite Schwester, Munira, blieb in Paderborn. Sie arbeitet im Bildungsbereich.