Nach Messer-Attacke: Gewalt und Sicherheit sind Thema an Paderborner Schulen

Paderborn. Vor etwas mehr als einer Woche hat es das Westfalen-Kolleg in Paderborn mit einem versuchten Tötungsdelikt bundesweit in die Presse geschafft. Ein 25-jähriger Kollegiat hatte am Mittwochmittag in der Sporthalle eine 27-jährige Schülerin mit einem Messer niedergestochen. Diese extreme Tat wirft die Frage auf, wie es grundsätzlich um die Gewalt und Sicherheit an Schulen steht. &bdquo;Die Themen Sicherheit und Gewalt an Schulen treiben uns seit Langem an“, sagt Dietmar Winsel. Der 64-Jährige ist Lehrer an der Friedrich-Spee-Gesamtschule in Paderborn und Vertreter der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für OWL. Er ist aufgrund seiner GEW-Tätigkeit zwar seit vielen Jahren vom Unterricht freigestellt, auf gewerkschaftlicher Ebene beschäftige er sich aber intensiv damit. Sei es die Gewalt unter Schülern beziehungsweise Schülerinnen oder die zwischen Schülern und Lehrern. Der Fall des Westfalen-Kollegs sei schon sehr extrem, sagt Winsel. Aber selbst an Grundschulen komme es mittlerweile vor, dass Schüler in den Unterricht Waffen mitbringen. Etwa ein Messer. Oder eine Pistole: In dem konkreten Beispiel sei dies an einer Schule im Kreis Paderborn der Fall gewesen, wie er meint. Auch wenn die Pistole nur gezeigt worden sei, stellt sich Winsel die Frage: &bdquo;Wie kommen Grundschüler an solch eine Waffe?“ Paderborner GEW-Vertreter sieht viele negative Entwicklungen Aggressivität und Respektlosigkeit, Distanzlosigkeit und Grenzenlosigkeit: All diese negativen Entwicklungen sieht der GEW-Vertreter. &bdquo;Wenn sich früher geprügelt wurde, war es vorbei, sobald jemand am Boden lag. Das ist heute teilweise anders“, so Winsel. &bdquo;Die verbale und auch körperliche Gewalt sowie deren Androhung nehmen zu.“ Dies erlebten Kollegen teilweise auch in Gesprächen mit Eltern. &bdquo;Am Anfang hatten wir Panik“: Messerattacke versetzt Paderborner Kolleg in Ausnahmezustand Beispielsweise komme es auf Klassenfahrten zunehmend zu solchen Vorfällen, dass Gruppen vor dem Ende zurückfahren müssen. Dies könne eine Konsequenz sein, wenn Regeln von Jugendherbergen oder Hotels nicht eingehalten würden. Wenn etwa Mobiliar zerstört werde oder es Aggressivitäten zwischen Klassen unterschiedlicher Schulen gebe. &bdquo;Das ist zwar nicht an der Tagesordnung, aber es kommt immer wieder vor und vor allem häufiger als noch vor zehn Jahren“, erklärt Winsel. &bdquo;Bei 25 bis 30 Schülern in der Klasse reichen ja zwei, die sich nicht an Regeln halten, sodass weitere folgen.“ An den Schulen würden derzeit Konzepte zum Schutz der Schülerinnen und Schüler vor Gewalt innerhalb der Einrichtung erarbeitet, so Winsel. &bdquo;Hier sollte aus Sicht der GEW auch der Schutz der Lehrkräfte vor Gewalt in den Schulen immer mitgedacht werden.“ Viele Schulen hätten kein Interesse, Vorfälle zu thematisieren Für verbale Gewalt gegenüber Lehrern hat Winsel teils drastische Beispiele: &bdquo;Wenn Kolleginnen als Hure oder Fotze beschimpft werden und gesagt wird: Sie haben mir gar nichts zu sagen! Oder wenn ein Kollege bis zum Tod bedroht und gesagt wird: Wir wissen, wo dein Kind ist und wo du wohnst!“ Fakt sei laut Winsel aber auch, dass viele Schulen überhaupt kein Interesse daran hätten, so etwas groß zu thematisieren. Messerangriff in Paderborn: 27-jährige Frau liegt im künstlichen Koma &bdquo;Es ist wichtig, dass die Schulen solche Fälle melden, auch ohne dass eine Art Ranking entsteht“, sagt er. Er ist sich sicher: &bdquo;Die bekannt gewordenen Fallzahlen sind viel zu niedrig.“ Entscheidend ist für Winsel auch die Frage: &bdquo;Was ist Gewalt und wie definiere ich sie? Das ist bei jeder Lehrkraft unterschiedlich. Ist es das Wort, das Zerkratzen des Lacks am Auto oder aber der Faustschlag – bis zum äußersten Extremfall wie eine Amoktat.“ Eine weitere zentrale Forderung der GEW sei neben den Meldungen von Gewaltvorfällen an die Schulaufsichten und dem Ministerium auch die nach einer Intensivierung der Unterstützung der Schulen durch Schulpsychologen und den weiteren Ausbau der Schulsozialarbeit vor Ort. Lehrkräfte fühlten sich oft allein gelassen, sagt der Paderborner Lehrer &bdquo;Die Bearbeitung der gesellschaftlichen Auffälligkeiten kann in den Schulen nicht alleine den Lehrkräften aufgebürdet werden“, sagt Winsel. Sie fühlten sich in vielen Fällen alleingelassen. Besonders dann, wenn sie selber Adressaten von entsprechenden Gewaltvorfällen – bisher überwiegend verbaler Art – geworden seien. Bedrohungen seien aber auch anders möglich: Ein Kind könnte dem anderen in die Trinkflasche spucken. Und Gewalt könne nicht nur körperlich, sondern auch psychologisch sein – wie etwa falsche Anschuldigungen. Verletzte aus Koma erwacht: Paderborner soll Abschiedsschreiben verfasst haben Oder es kämen sogar die Eltern ins Spiel: &bdquo;Mein Papa ist Anwalt, der zeigt dir, wie es geht“, zitiert Winsel eine Schüleraussage an einen Lehrer. All dies zeige, welche Bandbreite es in den Schulen gibt. &bdquo;Das Thema ist extrem umfänglich und diffizil“, sagt Winsel. &bdquo;Es hat unzählige Facetten.“

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