Alleinerziehende Ukrainerin in Paderborn: „Wir kriegen oft keine Chance“

Paderborn. &bdquo;Nein, ich sehe da keine Perspektive für Sie“, habe das Jobcenter gegenüber Inga Nesterovych erklärt. Sie arbeitet aktuell in einer Paderborner Einrichtung als Küchenaushilfe. Auf Minijob-Basis. Eigentlich will sie wieder das tun, was sie ursprünglich gelernt hat. In ihrer Heimat – in der ukrainischen Stadt Winnyzja – hat die 42-Jährige ein Geschäft geführt. Sie war Filialleiterin einer Kette, hat Personalpläne sowie Buchhaltung verantwortet und ein abgeschlossenes Studium vorzuweisen. In Deutschland muss sie sich mit Aufgaben zufriedengeben, die nicht ihrer Qualifikation entsprechen. Einen Monat nach Ausbruch des Krieges flüchtete sie mit ihren beiden Töchtern nach Polen. Ihre Kinder waren zu dem Zeitpunkt siebzehn und sechs Jahre alt. Mit 15 anderen Menschen bewohnten sie eine Dreizimmerwohnung. Sie wollten erst nur einen Monat in Polen bleiben, erhielten dann aber über Bekannte das Angebot nach Paderborn zu kommen. Hier blieben sie dann länger. Länger als erwartet. Erst neun Monate bei einer deutschen Familie. Später wechselten sie in eine eigene Wohnung. Die Flucht nach Deutschland spaltete die Familie. Nesterovychs Ehemann blieb seit Kriegsbeginn in der Heimat, diente in der Armee und wurde verwundet. Wegen des Lebens auf Distanz hätte die Ehe gelitten. &bdquo;Das ist ein Krieg gegen die Familien“, sagt Nesterovych. Viele Paare hätten sich während des Krieges scheiden lassen. Die älteste Tochter – inzwischen 20 Jahre alt – heiratete und zog zurück in die Ukraine. Warum die Ukrainerin keine Arbeit in Paderborn findet Trotz dieser Schwierigkeiten wolle Nesterovych eines: &bdquo;Ich möchte hierbleiben und arbeiten.“ In Deutschland ist das aber nicht so einfach. Denn wie für viele Geflüchtete in Deutschland hat sie zwei Probleme: Ihr Abschluss wird nicht anerkannt und ihr fehlt ein belegtes Sprachniveau. Sie steckt in einem Teufelskreis, aus dem sie nicht herausbrechen kann, weil für viele Berufe ein Sprachniveau von B2 – eine obere Mittelstufe – erforderlich ist. Immer informiert bleiben: Hier gelangen Sie direkt zum Whatsapp-Kanal der NW Paderborn. Dazu braucht es aber Sprachkurse, deren Stundenanzahl reguliert ist und oft nicht ausreiche, um die zugehörige Abschlussprüfung zu bestehen, sagt Nesterovych. Diese dürfe jedoch seit einer neuen Verordnung nur noch unter bestimmten Bedingungen wiederholt werden, wie aus einer Mitteilung des Bundesinnenministeriums hervorgeht. Wer durchfällt, hat Pech gehabt. Und verliert die Perspektive, beruflich Fuß zu fassen. Davor fürchte sich auch Nesterovych. Der Druck setze ihr zu. Ihre Gesundheit habe gelitten. Denn sie wolle in Deutschland bleiben und hat Sorge, dass ihr das nicht gelingt. Wenn sie das B2-Sprachniveau nicht erreiche, würden auch die Kosten für die Anerkennung ihres Diploms nicht übernommen. Das könne schnell mehrere Hundert Euro kosten – Zusatzkosten, wie eine Übersetzung, nicht mit eingerechnet. Für jemanden mit einem Minijob also nicht bezahlbar. Geflüchtete würden häufig keine Chance erhalten Eine Alternative gebe es laut Jobcenter. Nesterovych könne sich initiativ in ihrem Berufsfeld bewerben: &bdquo;Aber wie soll ich das machen“, fragt sich die zweifache Mutter. Ohne einen anerkannten Abschluss und beglaubigte Sprachkenntnisse würde sie niemand zu einem Bewerbungsgespräch einladen. Nicht einmal ein unbezahltes Praktikum sei so möglich. Das sagt auch Viktoriia Dziubenko, über deren Geschichte die &bdquo;NW“ bereits berichtete. &bdquo;Ich kenne kaum Ukrainer, die Arbeit in ihrem ursprünglichen Beruf gefunden haben“, sagt die 22-Jährige. Sie bewerbe sich auf die Stellenanzeigen des Jobcenters, erhalte aber ausnahmslos Absagen. Die Stellenanzeigen würden online bleiben und unbesetzt, wie sie beobachte – trotz Fachkräftemangel. Zu Viktoriias Geschichte: &bdquo;Meine Eltern haben sich nur zwei Wochen zum Überleben gegeben“ Sie finde, viele Arbeitgeber seien sehr konservativ eingestellt, sie verstehe aber warum. &bdquo;Die sehen, dass unsere Aufenthaltszettel nur bis 2026 ausgestellt sind. Dann stellen die lieber einen Deutschen ein“, sagt Dziubenko, die ein Studium der Betriebswirtschaftslehre abgeschlossen hat. Außerdem gebe es viele Voraussetzungen. &bdquo;Wir arbeiten in der Ukraine beispielsweise im Bereich der Buchhaltung mit einem anderen Programm als in Deutschland“, sagt Dziubenko. Das könnte man mit einem Praktikum schulen, aber dazu komme es nie. &bdquo;Wir kriegen oft keine Chance“, sagt Nesterovych. Laut Martin Strätling, Leiter der Asyl- und Flüchtlingsberatung der Caritas, hat das System. Über 3.000 Geflüchtete im Kreis Paderborn als arbeitslos gemeldet &bdquo;Der politische Wille ist es, dass die, die es schaffen, bleiben. Diejenigen, die scheitern, müssen gehen“, sagt Strätling. Er identifiziert drei Probleme bei der Integration von Geflüchteten auf dem Arbeitsmarkt. Die Aufenthaltsverfestigung – sprich den gesicherten Aufenthalt –, die hohe Nachweispflicht bei Berufsqualifikationen und der Frust, wenn es mit der Arbeitssuche mitunter Jahre dauere. Hinzu kommen noch Traumata durch Kriegs- und Fluchterfahrungen. Das bestätigt auch das Jobcenter des Kreises Paderborn auf eine &bdquo;NW“-Nachfrage hin. Es komme über die genannten Probleme hinaus vor, dass Vorbehalte von Arbeitgebern eine Hürde darstellen. Im Mai 2025 habe es laut der Bundesagentur für Arbeit im Kreis Paderborn 3.130 arbeitslos gemeldete &bdquo;Drittstaaten-Angehörige“ gegeben, von denen fast Zweidrittel (63,2 Prozent) im Kontext von Fluchtmigration gestanden haben. Jedes Schicksal ist dabei unterschiedlich. &bdquo;Flüchtlinge haben unterschiedliche Voraussetzungen“, sagt Strätling. Ein Friseur könnte mitunter schneller integriert werden als ein Arzt oder ein Handwerker. Dies hänge mit vielen deutschen Standards zusammen, die in einer längeren Ausbildung erlernt werden müssten. Das dauere, führe aber zu mehr Sicherheit in vielen Bereichen, wie beispielsweise im Baugewerbe. &bdquo;Bei uns brennen vergleichsweise wenig Gebäude ab“, erklärt Strätling. Alleinerziehende Geflüchtete hätten es besonders schwer Um sich daran anzupassen, wünscht sich Nesterovych deshalb mehr Sprachunterricht, aber der würde ihr nicht bewilligt werden. Statt 500 Unterrichtseinheiten erhalte sie nur 400. &bdquo;Das reicht mir nicht, um Deutsch zu lernen“, sagt Nesterovych. Selbst wenn sie wolle, könne sie nicht Kurse anteilig oder vollständig hinzubuchen. Gleichzeitig müsse sie noch ihre jüngere Tochter betreuen, die Schwierigkeiten mit dem deutschen Schulsystem und der Sprache habe. &bdquo;Mit Kind braucht es mehr Zeit“, sagt Nesterovych über ihre Integration. Geflüchtete ohne Kinder hätten es da etwas leichter. Trotz der Hürden seien die beiden Frauen froh, hier zu sein. &bdquo;Ich bin Deutschland dankbar“, sagt Nesterovych. Sie erhalten viel Unterstützung. Es sei bloß schwer, in kurzer Zeit eine neue Sprache zu erwerben. Und in einem fremden Land anzukommen.

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