Seit Jahrzehnten hinter der Theke: Wirtin aus Paderborn-Neuenbeken macht die 70 voll

Paderborn-Neuenbeken. Als Thea Dierkes den Besuch in der Gastwirtschaft &bdquo;Zur Jägerlust“ begrüßt, lächelt sie und reicht die Hand. Gäste willkommen heißen: Das macht sie seit 70 Jahren in Neuenbeken. Und ebenso kaum glauben kann der Besucher, dass Thea Dierkes an diesem Mittwoch, 30. Oktober, ihren 89. Geburtstag feiert. Es ist wohl dieser eine Satz, der über dem Leben von Thea Dierkes steht. &bdquo;Ich habe das alles immer gerne gemacht“, sagt sie. Eigentlich meint sie die Gäste, die Neuenbekener und die Stammtischbrüder und -schwestern, die nach wie vor in die &bdquo;Jägerlust“ kommen. Und die Thea Dierkes gerne bewirtet. In diesem Jahr gibt es noch ein weiteres besonderes Datum im Oktober, auf das Familie Dierkes blickt. Denn das 70-jährige Dienstjubiläum hat Thea Dierkes am 15. Oktober gefeiert. Dabei hat sie auf die vergangenen Jahrzehnte geschaut. Und ein bisschen ist das wie ein Rückblick auf die Geschichte der Bundesrepublik, von Neuenbeken aus betrachtet: mit den Jahren des Aufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg, den Wirtschaftswunderjahren, der Hochphase der Stammtische in den 1970er-Jahren, den Veränderungen ab den 1980er-Jahren besonders für Kneipen – und der Corona-Pandemie. Thea Dierkes fängt mit 18 Jahren an &bdquo;Mit 18 Jahren habe ich angefangen“, erzählt die gebürtige Neuenbekenerin Theresia Dierkes, die alle nur als Thea kennen. Und das ist schon ungewöhnlich zu jener Zeit, als eher Männer in Kneipen gearbeitet haben. Erste Erfahrungen hat sie im &bdquo;Ratsglöckchen“ in Paderborn gesammelt, ehe sie im Oktober 1954 als Wirtin in der &bdquo;Jägerlust“ und somit bei der Inhaberfamilie Fischer angefangen hat. Die Geschichte der von Bernhard Hindahl eröffneten &bdquo;Jägerlust“ reicht bis zur Eröffnung im Jahr 1884. Der Standort ist bis 1974 auf dem heutigen Grundstück der Volksbank an der Gogrevenstraße gewesen. Am 19. Dezember 1974 hat die damalige Inhaberfamilie Fischer die Kneipe am Standort Alte Amtsstraße 4 neu eröffnet. Und bis heute hat sich an der gepflegten, urigen Einrichtung nichts geändert. Inklusive der für eine Kneipe typischen Sparfächer. Seit 1998 gehört die &bdquo;Jägerlust“ Thea Dierkes jüngstem Kind Olaf (48). Er hat das Gebäude samt markantem Eckbau aufstocken lassen. Wirtin serviert Ludwig Erhard ein Getränk Viele Geschichten könnte Thea Dierkes über die Jägerlust, die Stammtische, die Vereine, die Familienfeiern und die Partnerschaft zur Brauerei Warsteiner seit 1965 erzählen. Über ausgelassene Feiern oder Rechnungen, die die Wirtin auf Bierdeckeln notiert hat. Oder über ein Pferd, das auf einmal in den 1960er- oder 1970er-Jahren vor der Jägerlusttheke gestanden habe. Und dann fällt auch der Name von Ludwig Erhard (1897 bis 1977). Der zweite Bundeskanzler der noch jungen Republik und Mann mit der Zigarre ist 1966 zu Gast in Neuenbeken und in der &bdquo;Jägerlust“ gewesen. Erhard hat als Edel-Wahlhelfer die CDU bei der NRW-Landtagswahl unterstützt und hat auf der Durchreise von Bad Lippspringe nach Bad Driburg Halt in Neuenbeken gemacht. Natürlich mit Zigarre und umringt von Menschen ist Erhard auf einem Foto vor der &bdquo;Jägerlust“ zu sehen. Und für die Getränke ist Wirtin Thea Dierkes zuständig gewesen. &bdquo;Ich habe aber nicht mit ihm gesprochen“, erzählt sie und schmunzelt. Auch &bdquo;Die Knobelbrüder“ halten die Treue Viel hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Für Familien- oder Vereinsfeiern ist die &bdquo;Jägerlust“ nicht mehr einer der zentralen Orte, und auch die Stammtische sind deutlich weniger geworden. Nach wie vor freut sich Familie Dierkes aber beispielsweise über die Treffen des SC Viktoria 1946 Neuenbeken, des Heimatschutzvereins oder der Schützenkapelle. Zudem halten folgende Stammtische Thea Dierkes die Treue: &bdquo;Die Knobelbrüder“, &bdquo;Die sieben wilden Amazonen“, &bdquo;Die Hamburger“, &bdquo;Die Tequillamädels“ und &bdquo;Die Bekebuben 81“. Allerdings hat ein Ereignis die Arbeit und die Stimmung in der Kneipe nachhaltig verändert. &bdquo;Besonders Corona hat Spuren hinterlassen“, sagt Olaf Dierkes. Aus Sicht der Neuenbekener Gastwirte zögen sich viele Menschen mehr ins Private zurück, würden nicht mehr so häufig ausgehen. Aber neben den Stammgästen lebt eine Kneipe eben auch von Laufkundschaft. Um einen finanziellen Ausgleich zu schaffen, arbeitet Olaf Dierkes dreimal die Woche in einem Industriebetrieb. Trotzdem hat die &bdquo;Jägerlust“ weiter vier Tage die Woche geöffnet: donnerstags von 17 bis Mitternacht, freitags und samstags von 18 Uhr bis etwa 1/2 Uhr und sonntags von 10 bis 13 Uhr sowie von 17 bis 22 Uhr. Und Thea Dierkes ist natürlich mit dabei. Arzt rät Wirtin der &bdquo;Jägerlust“ zum Biertrinken Überhaupt scheinen ihr die Arbeitszeiten nichts auszumachen. Auch, weil die Arbeit offensichtlich fit hält. &bdquo;Ich habe bis zum 85. Lebensjahr nichts gehabt“, sagt Thea Dierkes. Sie raucht nicht und trinkt nicht. &bdquo;Und ich habe in all den Jahren höchstens 20 Biere getrunken“, fügt sie hinzu. Erst während der Corona-Pandemie hätten Ärzte 2021 bei ihr eine verkalkte Herzklappe diagnostiziert. Und ausgerechnet ein Arzt habe ihr geraten, ruhig täglich ein, zwei Biere zu trinken. Das ist aber eben nicht Thea Dierkes Ding. Auf der Couch sitzen, fernsehen oder lesen. Einfach mal die Ruhe genießen. &bdquo;Das kann meine Mutter nicht“, stellt Olaf Dierkes fest. Zudem lebt Thea Dierkes bis heute selbstständig im eigenen Haus, seitdem Ehemann Johannes 2000 verstorben ist. Darüber hinaus helfen die beiden Töchter in der &bdquo;Jägerlust“ mit. Und sie freut sich über sieben Enkelkinder. Sohn möchte &bdquo;Jägerlust“ verpachten Auch weil Personal fürs Lokal schwer zu finden ist, möchte Olaf Dierkes die &bdquo;Jägerlust“ gerne verpachten. &bdquo;Schließen ist keine Option“, sagt er. Und bis dahin will Thea Dierkes weitermachen und eines beherzigen: &bdquo;Immer die Ruhe bewahren und nicht nervös werden.“

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