Heiligabend im Zirkuszelt: So feiert der Paderborner Weihnachtscircus Weihnachten

Paderborn. Lars Wasserthal schiebt ein wenig den Vorhang zur Seite, damit er einen Blick auf das Zirkusrund dahinter erhaschen kann. Die Sitzreihen füllen sich. Er schaltet sein Mikro an. &bdquo;Liebe Besucher, in zehn Minuten beginnt die Show“, tönt die Stimme des Zirkusdirektors durch das Zelt. Er wirkt zunehmend konzentrierter. Die nächste Durchsage. Noch fünf Minuten. Um ihn herum wird es wuseliger. Bühnenhelfer laufen auf enger Fläche zwischen Requisiten herum. Noch eine Minute. Die ersten Artisten machen sich bereit. Dann: Licht aus, Spot an. Die dreistündige Show mit Artistik, Zauberei, Clownerie und Gesang beginnt - eine von 46 in diesem Winter. Die Crew des Paderborner Weihnachtscircus hat ein straffes Programm. Drei Wochen lang folgt eine Aufführung nach der nächsten. &bdquo;Das ist eine sehr intensive Zeit“, sagt Wasserthal. Zur Ruhe kommt er kaum. Mindestens eine, meistens zwei Shows pro Tag sind angesetzt. Egal ob Feiertag oder nicht. Viele Artisten wohnen in einem Paderborner Hotel Besonders die Vorstellungen an den Weihnachtstagen, an Silvester und Neujahr sind gefragt. Dann haben die Menschen Zeit - und vor allem auch Lust auf Zirkus, sagt Wasserthal. &bdquo;Das ist so ein Ding.“ An Weihnachten laufe ein Zirkus deutlich besser als im Rest des Jahres. Für die 42 Mitarbeitenden des Weihnachtscircus - darunter 29 Künstlerinnen und Künstler in der Manege - bedeutet das derzeit viel Arbeit. Kommt da das eigene Weihnachten nicht zu kurz? Nein, meint Sabrina Wasserthal, die zusammen mit ihrem Ehemann den Weihnachtscircus gegründet hat. Das Team feiert an Heiligabend gemeinsam. &bdquo;Obwohl das dann eine große Runde ist, bleibt es familiär“, erzählt sie. Außerplanmäßig findet die Vorstellung bereits um 11 Uhr statt. Um sich schick zu machen, fahren die Artisten anschließend ins Welcome Hotel, wo einige von ihnen derzeit leben, oder gehen in ihre Wohnwagen auf dem Zirkusgelände. Dann wartet im Vorzelt ein Büffet auf sie. Weihnachtsgans wird es geben, sagt Lars Wasserthal. &bdquo;Und jeder bringt seine Traditionen mit.“ Denn die Truppe ist zusammengewürfelt aus elf Nationen - von Kolumbien und den USA über Deutschland, Italien, Dänemark, Ukraine bis zu Weißrussland und China. &bdquo;Viele der Artisten sind es mehr oder weniger gewohnt, zu solchen Anlässen nicht zuhause zu sein“, sagt Wasserthal. Auch Wasserthals Familie verbringt die Weihnachtstage nicht daheim, sondern im großen, ausfahrbaren Wohnwagen. Auf 45 Quadratmetern haben es sich Lars und Sabrina Wasserthal mit ihren Töchtern Delane (8) und Thalia (4) gemütlich gemacht. Ihr eigentliches Zuhause liegt in Borchen - aber erst seit diesem Jahr. Zirkusfamilie Wasserthal möchte im Kreis Paderborn Wurzeln schlagen Der gebürtige Hamburger Lars kommt vom Theater, Sabrina stammt aus Potsdam und ist in einer Artistenfamilie groß geworden. &bdquo;Im Heide-Park haben wir uns kennen- und liebengelernt“, sagt der 43-Jährige. Die beiden traten in Shows des Freizeitparks auf, Soltau wurde ihr gemeinsamer Lebensmittelpunkt samt Haus. Doch dort waren sie immer seltener. Denn im Jahr 2010 gründeten sie den Mitmachzirkus Phantasia, mit dem sie bundesweit an Schulen vorbeischauen. Der Schwerpunkt liegt auf OWL. &bdquo;Das hat sich über die Jahre herauskristallisiert“, so Wasserthal. Auch in Borchen waren sie zu Gast und so angetan von der Grundschule, dass sie ihre Tochter Delane dort eingeschult haben. Rund die Hälfte des Jahres besucht die Drittklässlerin in Borchen den Unterricht, die restliche Zeit geht sie zur Zirkusschule. Ihre Tochter soll das normale Schulleben lernen, sagt Sabrina Wasserthal. &bdquo;Wenn wir mit Phantasia in der Umgebung sind, fahre ich sie dann auch mal 70 Kilometer zur Schule nach Borchen.“ Die jüngere Tochter geht im Ort in die Kita. Die Wasserthals planen, wegen der Kinder weniger zu reisen. &bdquo;Für Künstler-Verhältnisse sind wir sehr konservativ. Vielleicht passen wir daher gut nach Paderborn. Wir mögen Paderborn sehr“, sagt Lars Wasserthal. Der Verkauf des Hauses in Soltau und der Umzug nach Borchen war daher für die Eltern die logische Konsequenz. &bdquo;Uns ist es wichtig, hier Wurzeln zu schlagen.“ Dazu trägt auch der Paderborner Weihnachtscircus bei. Dessen Start im Jahr 2021 war noch geprägt von Corona-Auflagen. Unternehmerisch seien er und seine Frau ein Risiko eingegangen, sagt Wasserthal. &bdquo;Im dritten Jahr sind wir etwas entspannter.“ Denn der Weihnachtscircus habe sich etabliert. &bdquo;Wir sind echt gut besucht“, freut er sich. Mehr als 30.000 Karten hätten sie schon verkauft. Es gebe Überlegungen, Kapazitäten künftig zu erweitern. Etwa durch ein größeres als das bisherige Mietzelt. Denn dass der Weihnachtscircus eine Zukunft hat, steht für die Wasserthals fest. Die Artisten für die Saison 2024/25 sind bereits gebucht. Für die darauffolgende Spielzeit begibt sich Sabrina Wasserthal derzeit auf Künstlersuche. &bdquo;Wir haben bei den Artisten einen guten Ruf“, meint die 36-Jährige. Womöglich finden sie in Monte Carlo neue Künstler. Denn das dortige Internationale Zirkusfestival werden die Wasserthals im Januar erstmals besuchen - als Urlaub nach arbeitsreichen Wochen mit dem Paderborner Weihnachtscircus.

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