ÖPNV in Paderborn: Die Fahrgäste sind genervt von der Eurobahn

Paderborn. Bei der Mobilitätswende spielt die Bahn auch im Nahverkehr eine tragende Rolle. Bis 2030, so der politische Wille, sollen sich die Fahrgastzahlen in NRW im Vergleich zu heute verdoppeln. So soll Energie gespart und das Klima geschont werden. Doch wer sich auf die Bahn verlässt, ist oft verlassen. Verspätungen und Ausfälle sind die Regel. Für Gelegenheitskunden ärgerlich, für Berufspendler ein echtes Hindernis. Besonders betroffen scheinen im Kreis Paderborn aktuell die Eurobahn-Linien RE 72 Richtung Herford und RE 82 von Altenbeken nach Bielefeld. Täglich fallen hier in den letzten Wochen Verbindungen kurzfristig aus. Besonders krass zum Beispiel am Freitag letzter Woche: Nachmittags hieß es gleich dreimal hintereinander für die Eurobahn Richtung Herford &bdquo;Zug fährt heute nicht. Wir bitten um Entschuldigung“; dazu wurde zeitgleich zweimal hintereinander auch die Eurobahn von Altenbeken nach Bielefeld abgesagt. Am letzten Freitag nun wieder so ein Mega-Fiasko: Diesmal ließ der wegen einer Tagesbaustelle bestellte Schienenersatzverkehr die erzürnten Fahrgäste über mehrere Stunden am Bahnhof in Horn warten. Auch ein dort mitgestrandeter Zugbegleiter konnte keine Informationen besorgen, wann und ob es überhaupt weitergehen könnte. Wieder mit dem Auto statt per Jobticket Typisch auch, was eine NW-Leserin erlebte. Sie pendelt regelmäßig mit den Regionalbahnlinien 67 oder 69 der Eurobahn zwischen Gütersloh und Bielefeld. &bdquo;Mehrmals in der Woche fällt der Zug aus, und wenn der Nachfolgezug dann kommt, ist er völlig überfüllt, so dass ein Zustieg nicht möglich ist“, steht in der E-Mail an die Redaktion. Man könne sich auf die Züge nicht verlassen. Auch fehlten Informationen über Ausfälle. Daher überlege sie, ihr Jobticket zu kündigen und mit dem Auto zur Arbeit zu fahren. So wie ihr erginge es vielen Pendlern, glaubt die Leserin. Wer sich auf den Bahnsteigen der Region umhört, kann das nur bestätigen – wenn überhaupt noch Berufspendler anzutreffen sind. Dass es Zugausfälle und Verspätungen gibt, versucht Eurobahn-Sprecherin Nicole Pizzuti auf Anfrage der &bdquo;NW“ nicht zu leugnen. Das Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf bedient in OWL sieben Linien. Allein für den 4. Oktober teilte das Unternehmen auf seiner Seite www.eurobahn.de auf fünf dieser Linien zahlreiche Ausfälle und Verspätungen zumeist &bdquo;aufgrund eines kurzfristigen Personalausfalls“ mit. Problem betreffe die ganze Branche Nicole Pizzuti bestätigt diese Ursache, sieht aber davon nicht nur die Eurobahn betroffen. Das Problem treffe die gesamte Branche. &bdquo;Viele zusätzliche Aufgaben, die innerhalb der Pandemie entstanden sind, sowie eine deutlich erhöhte Flexibilität aufgrund von Störungen im Bahnverkehr sorgen für ein erhöhtes Arbeits- und Stressaufkommen.“ Zudem benötigten Mitarbeiter, die krankheitsbedingt ausfallen, heutzutage eine längere Regenerationszeit. Auch Themen wie das Deutschlandticket, der Ausbau der Infrastruktur und mehr Serviceangebote verschärften die Situation. Ein weiteres Problem sei zunehmende Aggressivität der Fahrgäste. Dabei bleibe es nicht nur bei verbalen Angriffen. Immer öfter würden Kunden auch handgreiflich. Pizzuti: &bdquo;Innerhalb der Pandemie nahm die Gewalt gegen unser Team deutlich zu.“ Auch dies sei immer öfter ein Grund für krankheitsbedingte Ausfälle. Temporäre Versetzungen und Notfallbereitschaft Die Eurobahn versuche, mit temporären Versetzungen und einer Notfallbereitschaft dem Mangel zu begegnen. Die Not ist offenbar so groß, dass auch Mitarbeiter der Verwaltung, die in der Lage sind, einen Zug zu führen, von ihren Bürojobs abgezogen und für bestimmte Strecken eingesetzt werden. Pizzuti: &bdquo;Es lässt sich dennoch leider nicht immer alles abdecken.“ Um dem Personalmangel entgegenzuwirken, setzt Eurobahn auf intensive Werbung für den Beruf als Lokführer. Auf Jobmessen sollen Berufseinsteiger für den dreijährigen Ausbildungsberuf gewonnen werden. Zudem gibt es ein elfmonatiges Ausbildungsprogramm für Quereinsteiger. Ob das wirkt? Nicole Pizzuti gibt sich zuversichtlich: &bdquo;Unsere Branche ist ein sinnstiftender und zukunftsfähiger Arbeitgeber.“ Es werde nach Tarif gezahlt. Und um den immer öfter erhobenen Forderungen einer ausgewogenen Work-Life-Balance entgegenzukommen, seien bis zu 42 Tage Jahresurlaub innerhalb eines Wahlmodells möglich. Wahlmodell bedeutet, dass der Arbeitnehmer die Wahl zwischen mehr Geld und mehr Urlaub hat. Politik müsse Verbesserungen bewirken Zudem verweist Nicole Pizzuti auf das 2019 ins Leben gerufene Landesprogramm &bdquo;Focus Bahn“. Unter der Federführung des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr bündeln elf Nahverkehrsbahnen und die drei Aufgabenträger des Landes ihre Kräfte, um sich drei großen Zukunftsausgaben zu stellen: Fachkräftemangel, Infrastrukturausbau, Mobilitätswende. Doch damit sei es nicht getan. Die Politik müsse, so Pizzuti, auch in anderen Bereichen Verbesserungen bewirken: So halte der Mangel an Kita-Plätzen viele Frauen von einer Berufstätigkeit ab. Auch gebe es weiterhin das Ehegattensplitting, das eine Berufstätigkeit für die Frau &bdquo;nicht attraktiver gestaltet“. Der Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) ist offenbar zuversichtlich, dass die Eurobahn die Probleme lösen kann. Der im Dezember 2025 auslaufende Vertrag für das Ostwestfalen-Lippe-Netz mit den Linien RB 67, RB 71, RB 73 und RE 82 wurde kürzlich um drei Jahre verlängert. Auf Ausfälle stehen &bdquo;empfindliche Strafen“ Wie Anne Zimmermann als Sprecherin des NWL bestätigt, läuft damit der Vertrag für die Linie zwischen Altenbeken und Bielefeld (RE 82) bis Dezember 2028. Die Linie zwischen Paderborn und Herford (RB 72) ist der Eurobahn bis Dezember 2032 sicher, die der RB 89 (Warburg-Münster) bis Dezember 2030. Der NWL führe regelmäßig Gespräche zu den vertraglich vereinbarten Leistungen und der erbrachten Qualität. Bei Schlecht- bzw. Nichterbringung würden &bdquo;empfindliche Strafen“ fällig. Allein deshalb gehe man davon aus, dass die Verkehrsunternehmen Ausfälle minimieren. Im übrigen ständen alle Bahnunternehmen unter Druck, bestätigte die NWL-Sprecherin die von der Eurobahn vorgebrachten Argumente. Die momentan erhöhte Zahl von Zugausfällen entspreche nicht dem eigenen Qualitätsanspruch. Man sehe aber nicht, dass die Eurobahn im Vergleich zu anderen schlechtere Leistungen erbringe. Das grundsätzliche Ziel sei, &bdquo;betriebliche Stellschrauben zu eruieren, um kurz-/mittelfristig einen nachhaltig stabilen Betrieb gewährleisten zu können.“ Als Auftraggeber beobachte man die Entwicklung der Betriebslage daher sehr genau.

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