Paderborner Theologe Eugen Drewermann zeigt sich als Putin-Versteher

Paderborn. Wenn man Eugen Drewermann reden hört über den Ukraine-Krieg, dann kommt da noch ein zweiter Kampf zu Tage. Diesen scheint der renommierte Theologe aber selbst auszutragen - gegen eine aus seiner Sicht Mainstream-Meinung, die keine andere Sichtweise dulde. Gegen den Großteil der Politik, gegen die Medien. "Die ganze Presse ist gegen uns", sagt der. "Uns", das sind am Montagabend beim Linken Forum er und sein Publikum, das er - dem Beifall nach zu urteilen - hinter sich weiß. Applaus erhält er für eine Haltung, die, so sagt er selbst, mancherorts als "Propaganda für Putin" quittiert werde. "Von Krieg zu Frieden" heißt sein Vortrag, den er inklusive Diskussion gut zwei Stunden im Ausweichquartier der Kulturwerkstatt hält. Einige seiner grundsätzlichen Aussagen dürften nur bei den wenigsten auf Widerspruch treffen. Der Satz "Was du nicht willst, was man dir tut, das füg auch keinem anderen zu" sollte befolgt werden. Und "mörderisch" sei der Krieg, aus dem man heraus kommen müsse. Der 82-Jährige versucht, einen solchen Weg raus aus dem Krieg zu beschreiben. Und dafür nutzt er ein einseitiges Bild des russischen Angriffskrieges. Drewermann stellt den Westen als Aggressor dar Ja, Putin habe den Krieg angefangen, sagt der Paderborner, der sogleich ein großes "Aber" folgen lässt. "Aber die Tragödie ist: Man hat ihn in die Zange genommen", so Drewermann. Nur der USA nütze der Krieg, um ihre Vormachtstellung in der Welt beizubehalten. In seiner Argumentation ist nicht Putin der Aggressor, sondern der Westen in Gestalt der Nato. Und das schon länger. Russland habe zusehen müssen, wie ein Staat nach dem anderen aus ihm herausgebrochen worden sei. Drewermann macht Putin zu einem Opfer, dem man nur besser hätte zu hören müssen. Bereits 2014 hätte der Westen beim Euromaidan die russischen Bedürfnisse wahrnehmen können, aber man habe weggehört und damit den Angriffskrieg nicht verhindert. Wenn es nach Drewermann geht, müsse man sich nur mehr in Russland hineinversetzen und dessen Ängste verstehen. Man müsse dem Anderen zutrauen, "dass sein Standpunkt Berechtigung hat", so der 82-Jährige. In seiner Argumentation bedeutet das: In der Ukraine gibt es Unterschiede zwischen dem Osten und dem Westen des Landes, weshalb eine Eroberung der östlichen Ukraine durch Russland gerechtfertigt ist. Aus dem Publikum kommt kein Widerspruch Aber genau diese Haltung dürfe man nicht mehr denken und werde aus den Talkshows im TV verbannt. Die Politik wiederum sieht er als "Unterhaltungskomplex des Militärs" an. Sein Publikum beim Linken Forum scheinen solche Aussagen, die weit ins verschwörungsgläubige Feld hineinreichen, nicht zu stören. Widerspruch ist weder vom Publikum noch vom Vorstand des Linken Forums zu hören, auch nicht, als Drewermann seine etwa 100 Zuhörerinnen und Zuhörer vereinnahmt: "Lassen Sie sich die Köpfe nicht verdrehen." Und auch nicht, als er kurz das Thema Corona-Pandemie streift. Corona sei eine Kampagne, die - ebenso wie der Krieg - gut für die Wirtschaft sei. Immerhin verdienten Biontech und der Rüstungskonzern Rheinmetall Milliarden Euro damit, so seine Meinung. Zu einem Eklat wie zuletzt in Bünde ist es nicht gekommen. Dort verbreitete Eugen Drewermann bei einem Auftritt im September Ansichten wie nun in Paderborn. Der Hausherr des dortigen Veranstaltungsortes, Stadtkultur-Chef Dirk Kaiser, wollte dies nicht stehen lassen. Kaiser erinnerte an die Gräueltaten an der ukrainischen Bevölkerung. Ein Leid, das bei Drewersmanns Vortrag in Paderborn kaum Beachtung fand.

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