Paderborn Junger Paderborner tappt in Internetfalle und soll hohe Strafe zahlen

Paderborn. Nichtsahnend surft der 17-jährige Robin (alle Namen geändert) im Internet, sucht nach neuen Videospielen und landet schließlich auf einer Seite, die vergünstigte Angebote anbietet. Er klickt auf ein Spiel und der Download beginnt. Ein Jahr später ist der Schock groß - die Paderborner Familie soll wegen einer angeblichen Urheberrechtsverletzung 850 Euro Strafe zahlen. Es ist ein Brief von vier Seiten und unzähligen Paragrafen einer Berliner Anwaltskanzlei, den Anne S. und ihre Familie zum Sommerferienstart erreicht. Der Vorwurf: Ihr Sohn soll bereits vor einem Jahr das Spiel "Tropico 6" von einem deutschen Softwareentwickler heruntergeladen und es illegal weiterverbreitet haben. Die Spielreihe "Tropico" ist ein Politik-und Wirtschaftssimulationsspiel, in dem der Spieler auf einer Insel unter anderem Wohnungen und Infrastrukturen für deren Bewohner schafft. "Ich streite nicht ab, ein Spiel heruntergeladen zu haben, aber es war nicht Tropico 6. Dafür interessiere ich mich nicht." So funktioniert die Website Bei der Website handelt es sich um ein Netzwerk, das vor allem mit günstigen Angeboten lockt. "Mittlerweile kostet ein Spiel an die 90 Euro, das können sich viele nicht mehr leisten", sagt Robin. Entscheidet sich ein Nutzer für ein Angebot, bekommt er einen Code, der ihn allerdings zu einem offiziellen ausländischen Store, wie beispielsweise der Türkei, leitet. Dort seien die Spiele oft viel billiger als in Deutschland, so der 17-jährige Schüler. Robin habe gewusst, dass ein kostenloser Download illegal wäre. Dass er bei einem bezahlpflichtigen Spiel seine IP-Adresse bei Google teilt, anderen Nutzern automatisch Zugriff auf den Inhalt gewährt und sich damit strafbar macht, sei ihm nicht bewusst gewesen. Doch in dem Schreiben tauchen noch mehr Ungereimtheiten auf, die stutzig machen. Die Berliner Kanzlei bietet der Familie an, statt der zunächst veranschlagten 2.500 Euro "nur" 850 Euro zu zahlen sowie die beigelegte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Für Anne S. kommt es dennoch nicht in Frage, für die Kosten aufzukommen und sie holt sich Hilfe bei der Verbraucherzentrale. Dort trifft sie auf Freunde, die einen Brief der gleichen Anwaltskanzlei in den Händen halten. Betroffene fühlen sich hilflos Auch Anne S. Freunde werden der Urheberrechtsverletzung beschuldigt. Das kuriose: Sie sollen ebenfalls 850 Euro für das Spiel "Tropico 6" zahlen, das sie zum gleichen Zeitpunkt wie Robin heruntergeladen haben. Der Paderborner Familie wird klar, dass es sich bei der Spielbörse um eine Betrugsmasche handeln muss. Dabei gehen die Verantwortlichen raffiniert vor, um in jedem Fall an Geld zu kommen. Ein Anwalt könne den Betrag zwar auf 450 Euro senken, durch die zusätzlichen Anwaltskosten müsse die Familie am Ende trotzdem 700 Euro zahlen - denn die Rechtsschutzversicherung der Familie greift nicht bei Urheberrechtsverletzungen. "Ich fühle mich hilflos und allein gelassen. Das Verfahren ist sehr unübersichtlich. Mir fehlt die Transparenz", sagt Anne S. Das sagt die Polizei Dass in Paderborn zwei befreundete Familien das gleiche Anschreiben zur selben Zeit bekommen, scheint zunächst ein Zufall zu sein. Weitere Fälle sind laut Paderborner Polizei nicht bekannt. "Früher hatten wir viele Fälle von Urheberrechtsverletzungen, wo sich Kinder nichtwissend illegal Musik aus dem Internet heruntergeladen haben", sagt ein Sprecher. Betroffenen werde aber geraten, sich anwaltliche Hilfe zu nehmen und eine Anzeige bei der Polizei aufzugeben. Ohne weitere Informationen zur vermeintlichen Betrugsmasche können die Beamten nicht einschreiten. Tipps der Verbraucherzentrale Flattert eine Abmahnung ins Haus, sollten Betroffene in keinem Fall sofort zahlen oder die Unterlassungserklärung unterzeichnen. Stattdessen empfiehlt die Verbraucherzentrale ein juristisches Gespräch, um die Forderungen oder auch den Absender zu prüfen. Da die Fristen zur Abgabe der Unterlassungserklärung meistens kurz sind, kann per Einschreiben um eine Fristverlängerung gebeten werden. Hätte Anne S. eine Anzeige bei der Polizei erstattet, müsste sie laut Verbraucherzentrale bei einem möglichen Gerichtstermin nachweisen, dass sie ihren Sohn über Gefahren von Urheberrechtsverletzungen im Internet ausreichend informiert hat.

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