Kreis Paderborn Ansturm: Kirchenaustritte nehmen nach Missbrauchsgutachten weiter zu

Kreis Paderborn. Die Christen im Kreis Paderborn verlassen das sinkende Kirchenschiff - das geht aus den aktuellen Zahlen zu den Kirchenaustritten in der Region hervor. Denn nachdem bereits im Vorjahr mehr als 1.600 Katholiken und Protestanten von Bord gingen, hat die Austrittswelle im ersten Monat 2022 deutlich an Wucht zugenommen. Insgesamt 377 Menschen erklärten vor den Amtsgerichten in Paderborn und Delbrück ihren Austritt aus der Kirche (Stand: 28. Januar) - das sind 58 Prozent mehr als im Januar des vorigen Jahres und entspricht durchschnittlich 19 Austritten pro Werktag.Eine Erklärung für die enorme Steigerung geht auch aus den nw.de vorliegenden Zahlen hervor: Das neue Gutachten über sexuellen Missbrauch im Erzbistum München und Freising, in dem auch der frühere Papst Benedikt XVI. schwer belastet wird. In die Höhe geschnellt Seit der Veröffentlichung der Studie am 20. Januar schnellen die Austritte an beiden Amtsgerichten in die Höhe. Verließen zuvor in Paderborn, zu dessen Bezirk alle Kommunen außer Delbrück und Hövelhof gehören, im Schnitt pro Woche knapp 50 Menschen die Kirche, waren es in der letzten Woche gleich drei Mal so viel. Insgesamt erklärten in Paderborn 305 Personen ihren Austritt, vor einem Jahr waren es 183 gewesen, was einer Zunahme von 60 Prozent entspricht. Wie sehr die neueste Krise die katholischen Christen getroffen hat, zeigt der Blick auf die Konfessionsverteilung: Von den 305 Austritten betrafen 240 die katholische Kirche (Vorjahr: 117). Die Zahl der evangelischen Austritte hingegen sank sogar von 66 auf 65. Das Delbrücker Amtsgericht, zu dem Delbrück und Hövelhof gehören, registrierte im gleichen Zeitraum 72 Austritte - eine Steigerung von 100 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (36 Austritte). Das Gericht weist im Gegensatz zu Paderborn die Konfessionen nicht getrennt aus; es ist aber anzunehmen, dass es sich bei der Verteilung ähnlich verhält. Erinnerungen an 2018 Das Phänomen weckt im Kreis Paderborn Erinnerungen an das Jahr 2018. Auch damals stieg die Zahl der Kirchenaustritte erheblich an, nachdem die erste Studie über Hunderte Missbrauchsfälle im Erzbistum veröffentlicht worden war. Bei den Katholiken verdoppelte sich der monatliche Wert nahezu, bei den evangelischen Christen betrug der Anstieg immerhin 60 Prozent. Dass auch Protestanten der Kirche den Rücken kehren, obwohl über katholische Skandale berichtet wird, ist ein in den vergangenen Jahren oft beobachteter Effekt - zumindest im Januar dieses Jahres ist allerdings im Kreis Paderborn nichts zu spüren. Hier ziehen die Katholiken verstärkt einen Schlussstrich.

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