Vier Tote am Stauende auf A44: Gericht verurteilt Lkw-Fahrer

Bad Wünnenberg. Ovid J. (Name geändert) hat schwere Schuld auf sich geladen. Menschen starben, weil der 34-Jährige nicht aufpasste, als er am 11. September seinen Lkw über die A 44 steuerte. Obschon weder durch Alkohol noch andere Drogen beeinträchtigt oder ein Mobiltelefon abgelenkt, übersah er einen Stau, der sich in der Nähe von Bad Wünnenberg gebildet hatte. Ungebremst fuhr er mit 85 bis 90 Stundenkilometern auf das Ende auf. Ein Opel-Transporter samt Anhänger wurde auf einen vorausfahrenden Lkw geschoben. Vier Insassen konnten nur tot geborgen werden, ein anderer Mann wurde schwer verletzt. Ovid J. überlebte ohne schwere körperliche Blessuren. Der Verhandlung vor dem Amtsgericht folgt er mit Tränen und gesenktem Kopf. &bdquo;Ich hatte nicht mit ihrem Erscheinen gerechnet", sagt Amtsrichterin Münker. Denn der Berufskraftfahrer lebt in Rumänien. Die Ladung zum Prozess hatte ihn dort am Dienstag, also erst zwei Tage vor dem Termin, erreicht. Eigentlich sieht das Gesetz vor, dass ein Angeklagter mindestens eine Woche vorher erfährt, wann er vor Gericht zu erscheinen hat. Ovid J., der in seinem grauen Sweater und der Jeanshose sehr jung aussieht, verzichtet auf diese Frist. Zusammen mit seinem Vater hat er sich auf den Weg gemacht, um sich seiner Verantwortung zu stellen. Denn er kann seit fast einem Jahr nicht mehr schlafen, nachts hört er oft Schreie. "Er hat den Unfall nicht kommen sehen" &bdquo;Ich erinnere mich fast gar nicht an den Unfall", sagt Ovid J. mit leiser Stimme, die dann rasch versagt, sodass Verteidigerin Miriam Schittek das Wort für ihren Mandanten ergreift. &bdquo;Er hat den Unfall nicht kommen sehen", sagt sie und erzählt, dass der 34-Jährige nur einen Knall hörte. Die Ladung auf seinem Sattelzug schoss nach vorn, sein Fahrersitz wurde nach draußen gedrückt. &bdquo;Er hat Glück gehabt", bilanziert sie. Anders die fünf Menschen in dem Opel vor ihm. Weil Ovid J. ungebremst auf den angekoppelten Anhänger auffuhr, wurde das Gespann gegen den vorausfahrenden Sattelzug gedrückt – so sehr, dass Ersthelfer und Retter nicht sofort feststellten, dass da nicht zwei Lastwagen aufeinandergeprallt waren, sondern ein Fahrzeug zwischen ihnen eingeklemmt war. Kein Detail erspart die Amtsrichterin dem Angeklagten. Sie berichtet von der Verzweiflung eines Helfers, der &bdquo;Schreie und Klopfen" aus dem Fahrzeugwrack hörte, aber nicht helfen konnte, weil es zunächst nicht erreichbar war – durch die Blechberge, die sich da in einandergeschoben hatten. Sie verliest auch das Gutachten, wonach Ovid J. den Unfall hätte verhindern können, wenn er nur hingeschaut, die aufleuchtenden Bremslichter des vorausfahrenden Wagens gesehen und selbst die Bremsung eingeleitet hätte. "Ein Augenblicksversagen mit verheerenden Folgen" &bdquo;Es war ein Augenblicksversagen mit verheerenden Folgen", bilanziert Oberstaatsanwalt Julian Vogt. Gerade auf Lkw-Fahrern laste eine große Sorgfaltspflicht, steuerten sie doch Fahrzeuge, die eine &bdquo;enorme Kraft" entwickelten. Da müsse ein &bdquo;Signal" gesetzt werden, sagt er und fordert einen Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung sowie eine zwölfmonatige Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden soll. Diesem Antrag folgt Amtsrichterin Münker. Ebenso wie Ankläger Vogt hält sie es Ovid J. zugute, dass er sich freiwillig dem Verfahren gestellt hat und selbst seit dem Unfall psychisch beeinträchtigt ist. Allerdings darf er zwei Jahre lang in Deutschland kein Kraftfahrzeug steuern.

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