Dieser Paderborner will mit Biontech das Corona-Virus besiegen

Paderborn. Auf Biontech schaut in der Pandemie die ganze Welt - und ein waschechter Paderborner lenkt die Geschicke beim deutschen Impfstoff-Hoffnungsträger aus Mainz. Sierk Pötting aus Sennelager ist der Finanzchef und zuständig für Einkauf und Abläufe im Unternehmen. Neben seinen eigentlichen Aufgaben ist der promovierte Physiker seit Monaten weltweit als Interviewpartner gefragt. Am Dienstag vertrat er Biontech in einer Videokonferenz mit Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU). Pötting ist dabei nicht der einzige aus dem Paderborner Land, der in der Pandemie an entscheidender Stelle arbeitet. Der Biontech-Mann muss derzeit öffentlich viel erklären. Über seinen Arbeitgeber wird rund um den Globus gesprochen, schließlich waren Biontech die ersten, die Anfang November die Ergebnisse einer Studie veröffentlichten, wonach zügig eine zuverlässige Impfung für die breite Bevölkerung möglich ist. Pötting legt spätestens seitdem allerorten dar, wie der Biontech-Impfstoff funktioniert und welche Erfolge die Studien ergeben haben. Am Dienstag folgte als Meilenstein die erste weltweite Zulassung - in Großbritannien. In den USA könnte es am 10. Dezember soweit sein, wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilt, in der EU soll die Genehmigung ebenfalls noch im Dezember vorliegen. Dann könnte auch die Familie von Sierk Pötting - er ist in München Vater von vier Jungs - profitieren. Seine Eltern leben noch immer in Sennelager, hier verbrachte der Top-Wissenschaftler seine Kindheit. Die Wurzeln für den Spaß an den Naturwissenschaften sind im Elternhaus zu finden. Selbst beim Fußball zog ihn als Fan Pharmaklub Bayer Leverkusen an. Mutter Renate war Lehrerin an der Josefschule in Mastbruch, Vater Werner am Gymnasium Schloß Neuhaus (GSN). Er unterrichtete dort Chemie und Pädagogik. "Stolz" sei er heute auf die Erfolge des Sohnes, sagt der 77-Jährige im NW-Gespräch. Der Kontakt bestehe zumindest telefonisch regelmäßig, auch wenn ihn die Eltern, wie Werner Pötting lächelt, "derzeit mehr im Fernsehen als persönlich" sehen. Im Sommer sei Sierk mit den zwei jüngsten Kindern noch in Paderborn gewesen, aber immer auf dem Sprung in die nächste Videokonferenz. "Selbst im Auto zum Bahnhof musste er noch telefonieren. Er hat im Moment einfach richtig viel zu tun", berichtet der Vater. Jobs bei McKinsey und Novartis Ziemlich entspannt, wie Wegbegleiter berichten, ging Sohn Sierk durch die Schulzeit am GSN. "Er war immer vielseitig interessiert. Im Schulorchester hat er Querflöte gespielt und in der Theater-AG in Arsen und Spitzenhäubchen geglänzt", sagt Werner Pötting. 1992 machte der ältere von zwei Söhnen - Bruder Sven organisiert Filmfestivals - sein Abitur mit der Traumnote 1,0. Nach dem Abi studierte er Physik und Informatik in Tübingen. Er erwarb einen Master of Science der Universität von Arizona und einen Doktortitel in Physik der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Die Bilderbuchkarriere im Berufsleben startete der Paderborner als Unternehmensberater beim Branchenriesen McKinsey. "Dabei habe ich gemerkt, dass es mir sehr viel Spaß macht, Strategien umzusetzen", erzählt Pötting im November in einem Interview mit Euro am Sonntag. Es folgte der Wechsel zum Pharmariesen Novartis, wo er die Fusion von Sandoz und Hexal betrieb. "Bei Sandoz war ich zuletzt Finanzchef für das Amerika-Geschäft mit drei Milliarden Dollar Umsatz. Dann kam der Zeitpunkt, an dem ich gern wieder etwas anderes machen wollte, etwas Unternehmerisches." Biontech-Gründer Ugur Sahin überzeugte Pötting vom Wechsel im September 2014. Von Sahin und dessen Ideen war Pötting schnell angefixt, wie er im Interview erläutert: "Mein Physiker-Herz hat höhergeschlagen, als ich gesehen habe, was Biontech alles macht. Das war nicht nur innovative Medizin gegen Krebs, das waren auch Verfahrensprozesse, neuartige Produktions- und Logistikprozesse. Und das Unternehmen hatte schon eine gewisse Größe erreicht, war also kein ganz junges Start-up mehr." Ins weltweite Rampenlicht gelangte Biontech mit der Pandemie. Pötting sagt, er habe schon im Februar gespürt, dass sein Arbeitgeber für einen wirksamen Impfstoff sorgen könne. Gründer Sahin habe früh geahnt, dass eine Pandemie bevorstehe: "Er hat uns dann im Vorstand eine Art Stufenplan erläutert, wie er vorgehen möchte. Da ich Ugur schon sehr lange kenne, weiß ich: Wenn er etwas in die Hand nimmt, dann hat das Hand und Fuß." Doch die letzten Monate liefen für Pötting und das Unternehmen mit seinen 2.000 Mitarbeitern nicht komplett glatt. Er gibt zu, dass es in der Rückschau Punkte gab, "an denen es auch in eine andere Richtung hätte laufen können". Zwei weitere Ex-Paderborner bekämpfen die Pandemie Doch derzeit scheint es für das Unternehmen nur nach oben zu gehen. Der Erfolg lässt sich am Kurs der Biontech-Aktien ablesen: Zum US-Börsengang im September 2019 wurden die Papiere zu 15 Dollar ausgeben, inzwischen kosten sie rund 120 Dollar. Gründer Sahin wird durch seinen Aktienbesitz in der Liste der 100 reichsten Deutschen aufgeführt. Die Welt am Sonntag taxierte ihn im November zusammen mit Ehefrau Özlem Türeci, die in ihrer Jugend zeitweise in Bad Driburg und Paderborn lebte, und die ebenfalls im Biontech Vorstand sitzt, auf ein Vermögen von 2,4 Milliarden Euro. 44.000 Probanden haben an der Phase-III-Studie von #BioNTech teilgenommen. Jetzt stellt BioNTech-Finanzchef Sierk Pötting @BioNTech_Group die Erfolge vor: "Der #Impfstoffkandidat ist gut verträglich & hochwirksam bei 95%iger Wirksamkeit über alle Alters- und Populationsgruppen. pic.twitter.com/h3eQUWWdOs phoenix (@phoenix_de) December 1, 2020 Wenn Sierk Pötting derzeit mit dem Bundesgesundheitsministerium konferiert, besteht übrigens die Chance, dass er dort auf einen weiteren Paderborner trifft. Tobias Pohl leitet im Berliner Spahn-Ministerium das Referat für Parlaments- und Kabinettsangelegenheiten. Auch Pohl machte sein Abitur in Schloß Neuhaus (1996) und wuchs in Sennelager auf, als Nachbar von Familie Pötting.

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