Leiterin des Kreisgesundheitsamtes warnt: "Die Lage kann sich schnell ändern"

Frau Kuhnert, im Kreis Paderborn sind aktuell 44 Menschen nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Täglich gibt es einige Neuinfektionen. Wer steckt sich denn derzeit mit dem Virus an?Constanze Kuhnert: In erster Linie sind das noch Reiserückkehrer. Nur bei wenigen wissen wir nicht, wo sie sich angesteckt haben. Wir können somit die Infektionsketten nahezu alle zurückverfolgen und dann natürlich auch unterbrechen. Welche Rolle spielen Familientreffen bei Ansteckungen?Kuhnert: Familienfeiern, bei denen sich Beteiligte anstecken, spielen in unserem Kreis bisher zum Glück eine untergeordnete Rolle. Die meisten Menschen verhalten sich sehr umsichtig. Die Zahl der Menschen, die wegen einer Coronaerkrankung stationär behandelt werden müssen, ist seit Wochen niedrig. Sind darunter inzwischen auch jüngere Menschen?Kuhnert:Aktuell verzeichnen wir einen leichten Anstieg. Derzeit müssen vier Corona-Erkrankte, ältere Patienten mit Vorerkrankungen, im Krankenhaus behandelt werden.Sicherlich gibt es im Gesundheitsamt inzwischen viel Routine bei der Rückverfolgung von Infektionsketten. Wie viele Mitarbeiter sind dafür im Einsatz? Wie verhalten sich die Menschen, wenn sie hören, dass sie Kontakt mit Infizierten hatten?Kuhnert: Die Rückverfolgung ist in der Regel gut möglich. Mindestens acht Mitarbeitende sind mit Kontaktaufnahme, Nachverfolgung und Anrufen der Betroffenen gut beschäftigt. Betroffene sind selbstverständlich nicht begeistert, wenn wir Quarantäne anordnen, verhalten sich aber einsichtig und kooperativ. Das Ordnungsamt muss selten eingeschaltet werden. Insgesamt ist der Aufwand durch die Corona-Pandemie immer noch sehr hoch. Neue Corona-Schutzverordnungen, Teststrategien fordern auch uns enorm, wir müssen sehr flexibel jeden Tag dieses Geschehen bewältigen. Der Informationsbedarf bei der Bevölkerung lässt sich auch gut an unserer Hotline im Gesundheitsamt erkennen. Pro Tag kommen bis zu 200 Anrufe herein. Kommen neue Verordnungen hinzu oder werden neue Risikogebiete ausgewiesen, wie zuletzt die Provinzen Nordholland und Südholland, ist noch mehr los. Gibt es hier Fälle wie in Hamburg, wo in Gaststätten Phantasienamen und -kontaktdaten angegeben wurden?Kuhnert: Praktisch so gut wie nie, die Gäste sind durchweg kooperativ. Wer genau wird unter Quarantäne gestellt? Beispielsweise alle Mitglieder einer Familie, wenn jemand infiziert ist?Kuhnert: Wir ordnen Quarantäne nach den Kriterien des Robert-Koch-Instituts an. Ein engerer Kontakt im Sinne dieser Kriterien ist bei einem 15-minütigen Face-to-Face-Kontakt gegeben. Die Familienangehörigen von Kontaktpersonen können nicht pauschal unter Quarantäne gestellt werden. Aber kein Kind wird alleine isoliert. Bei Kindern bis zu 12 Jahren wird ein Elternteil mit unter Quarantäne gestellt, denn die Betreuung beziehungsweise Versorgung des Kindes muss sichergestellt sein. Bei Kindern ab 12 Jahren gehen wir davon aus, dass sie die Einsichtsfähigkeit besitzen, sich an die Quarantänemaßnahmen zu halten. Gegebenenfalls kann auch bei älteren Kindern im Einzelfall noch ein Elternteil mit unter Quarantäne gestellt werden. Bislang war das aber nicht erforderlich. Das Einhalten der Quarantänevorschriften soll von den Gesundheitsämtern überprüft werden. Ist das überhaupt leistbar? Machen Sie Stichproben?Kuhnert: Ja, es gibt Stichproben. Und vor allem bei unvollständigen Angaben muss noch einmal intensiver recherchiert werden. Der Inzidenzwert im Kreis Paderborn ist aktuell sehr niedrig. Wie sehr beruhigt Sie das?Kuhnert: Wir sind aufmerksam. Die Lage kann sich schnell ändern, wie man in anderen Regionen sieht. Jetzt stehen Herbst und Winter vor der Tür und damit droht möglicherweise auch eine Grippewelle ...Kuhnert: Als Gesundheitsamt arbeiten wir im präventiven, nicht im kurativen Bereich. Wir empfehlen die Impfung gegen die saisonale Grippe insbesondere allen Menschen, die zu einer Risikogruppe zählen. Also zum Beispiel Menschen, die über 60 Jahre alt sind, und bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die durch ein Grundleiden wie beispielsweise chronische Krankheiten der Atmungsorgane besonders gefährdet sind. Fürchten Sie, dass es im Winter zu einem Lockdown im Kreisgebiet oder in einzelnen Städten und Gemeinden kommen könnte?Kuhnert: Das Robert-Koch-Institut sagt dazu, dass mehrere nachfolgende Wellen unterschiedlichen Ausmaßes theoretisch denkbar sind. Wir machen weiter engagiert unseren Job und setzen auf das gute Mitmachen der Bevölkerung.

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